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Außensicht
Moschee in Bozen: Götterdämmerung
Aus ff 11 vom Donnerstag, den 16. März 2023
Das Leben in der Großstadt bringt Vor- und Nachteile, zu letzteren gehört die Unmöglichkeit, eine Audienz in einer Behörde zu bekommen. Ich erlebte es im vergangenen Jahr, als ich aus der katholischen Kirche austreten wollte: Anfang Januar klopfte ich beim Bezirksamt Hamburg Mitte an, in Aussicht stellte man mir einen Termin im Juni, zum Preis von 31 Euro dürfte ich dann eventuell meine Mitgliedschaft kündigen. Ob ich es denn schon beim Notar versucht hätte, fragte der Beamte. Exkommunikation ginge leichter, dachte ich.
Das Problem: Alle Notausgänge sind verstopft. Geschätzt 800.000 Deutsche beendeten 2022 ihr Kirchen-Abo, mehr als 90.000 waren es in Österreich, überall rennen den Pfaffen die Leute weg und in Südtirol betreiben sie Quiet Quitting. Ich musste an diese Fluchtbewegungen denken, als ich von Don Paolo Renner und seinem Traum von einer Bozner Moschee las. Ich kann den Mann verstehen. Ich würde mich auch um die Schäfchen anderer Hirten kümmern, wären meine eigenen derart treulos.
In jedem anderen Job würde man das, was Renner tut, wohl Prokrastination nennen. Ein Mann mit einem klaren Auftrag (Evangelium erklären, Kirche reformieren, Kolumne schreiben) verwendet seine Zeit lieber auf Ersatzhandlungen (den Islam verwalten, Imame bewerten, eine Spülmaschine ausräumen). Ich weiß nicht, ob sich Südtirols 25.000 Muslime eine Moschee wünschen, aber ich weiß, warum Don Paolo Renner sie will: Das Gras des Nachbarn ist immer grüner und das Gotteshaus von Allah immer voller. Hauptsache, die Leute beten, im Zweifel auch zur Konkurrenz.
Als Journalist habe ich Mitleid mit sterbenden Branchen – und deshalb seit vergangenem März ein schlechtes Gewissen. Damals bin ich mithilfe einer freundlichen Notarin aus der Kirche ausgetreten, seitdem frage ich mich, ob ich nicht doch hätte bleiben müssen. Für mein Seelenheil, für Franziskus, für Don Paolo Renner. Mein letzter Gehaltszettel hat mich zum Glück beruhigt: „Kirchensteuer, lfd: 72,94 Euro“ stand darauf, etwas mehr als noch vor einem Jahr. Mag sein, dass es Gläubige nur noch unter den Muslimen gibt. Bei den Gläubigern aber ist meine Kirche konkurrenzlos.
Anton Rainer | Redakteur im Ressort Wirtschaft beim Spiegel in Hamburg
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