Außensicht

Arbeitsmarkt: Runter vom Ross!

Aus ff 19 vom Donnerstag, den 11. Mai 2023

Neulich fiel mir eine Stellenanzeige auf, die 5-Tage-­Woche war da als Vorteil gelistet. Dabei handelte es sich nicht etwa um einen Gastro-, sondern um einen ganz normalen Bürojob. Ja Servus, dachte ich mir, das ist ja noch besser als „faire Entlohnung“ oder „angenehmes Arbeitsklima“. Wenn unsere Arbeitgebenden glauben, eigentlich selbstverständliche Voraussetzungen als lobenswertes Entgegenkommen präsentieren zu können, dann sollten die Arbeitnehmenden das auch tun. Schreiben Sie das nächste Mal doch „halbwegs zivilisierte Umgangsformen“ in Ihren Lebenslauf, oder „halte mich an die Arbeitszeiten“. Mal sehen, auf wie viel Begeisterung das stößt.

Klar, Arbeitskräfte sind knapp, die Betriebe können sich die Mitarbeitenden nicht mehr aussuchen, ein Buhlen ums Personal hat begonnen. Dass man da aber auf zugkräftigere Argumente als das, was bisher gereicht hat, setzen muss, das scheinen einige Chefs noch nicht kapiert zu haben. Zu sehr herrscht in Südtirol noch die Feudalherren-Attitüde vor: Auf hohem Ross reiten sie ein, diktieren die Bedingungen und lassen die Leibeigenen um die Urlaubszeiten betteln, als handle es sich um ein gönnerhaft gewährtes Optional.

„De wellen in Sunntig!“, empörte sich unlängst eine Südtiroler Hotelierin im TV, und jawohl, sie wollen den Sonntag, eine angemessene Bezahlung, Mitsprache bei den Arbeitszeiten und ein generelles Entgegenkommen, um Beruf und Familie zu vereinen und – skandalös! – auch noch ein wenig Freizeit zu haben. Die Zeiten haben sich auch in der Arbeitswelt geändert, zum Glück. Wer seinen Betrieb auch in Zukunft erfolgreich führen will, der wird nicht darum herumkommen, seinen Mitarbeitenden auf Augenhöhe zu begegnen und dafür zu sorgen, dass sie sich wertgeschätzt statt gegängelt fühlen.

Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin

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