Außensicht

RAI Südtirol und die Bürokratie: Mein Sender und ich

Aus ff 34 vom Donnerstag, den 24. August 2023

Die Zauberwörter des Wahlkampfes heißen Digitalisierung und Entbürokratisierung. Fangen wir mit dieser an, der Entbürokratisierung, denn dazu kommt‘s sicher nicht. Die Digitalisierung hätte sie bringen sollen, aber schon steht fest: Der Computer erspart das Papier nicht, er vermehrt es.

Ich stecke momentan in einem Entbürokratisierungsfeldzug. Rai-Südtirol hat mir einen kleinen Sendebeitrag anvertraut. Kaum habe ich den ersten Ton gesetzt, wird mir ein Papierpacken vorgelegt, einen knappen Zentimeter dick, klein, eng und beidseitig bedruckt. Frau Trenker, so heißt die freundliche Frau der Buchhaltung, entschuldigt sich vorbeugend für den Wahnsinn, um den sie mich bittet: alle 29 Seiten abzeichnen und gar einige davon mit „leserlicher Unterschrift“ versehen. Was das solle, frage ich. Frau Trenker ist zu freundlich, als dass ich es wagen würde, eine Antwort drauf zu erwarten. Ihr Blick ist allessagende Resignation.

Der Unfug wiederholt sich bei meiner zweiten Sendung. Gleicher Papierpacken, gleicher Unterschriftenmüll. Frau Trenker bittet mich drum, ich reagiere entsetzt, sie bietet an, mir den Packen heimzuschicken. Ein Bote bringt ihn. Aus Respekt vor Frau Trenker unterschreibe ich die Seiten und bringe sie an den Rai-Sitz zurück (was eine weitere bürokratische Zumutung ist, denn die Eintrittsformalien dort sind so, als stünde ein Staatsstreich bevor und unser Staatsfunk würde als Erstes von den Putschisten besetzt). Es stellt sich heraus, die Unterschriftenanzahl war nicht vollständig.

Frau Trenker entschuldigt sich dafür telefonisch bei mir. Nicht wie es sich gehörte, ich mich bei ihr. Ich frage, ob tatsächlich nicht Hoffnung bestehe, von zuoberst an der Rai-Spitze, solchen Papierwust einzudämmen. Sie wisse von nichts. Die Unterschrift digital etwa? „Ist schon eingeführt worden“, sagt sie. Nicht aus Einsicht, sondern dank Covid. Seither sei das möglich. Also her damit!, sag’ ich.

Darauf die Ernüchterung: Was ich digital unterschreibe, wird in der Rai dann doch auf Papier ausgedruckt und archiviert. St. Covid, bitt‘ für uns!

Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakteur der ff