Außensicht

Sanität: Warten aufs K.O.

Aus ff 35 vom Donnerstag, den 31. August 2023

Eine Freundin hat Fußschmerzen. Sie geht zum Arzt, der sagt: Muss operiert werden, am besten innerhalb der nächsten dreißig Tage. Meine Freundin will einen Termin für den Eingriff im Krankenhaus machen, die Dame am Telefon sagt: Tut mir leid, wir machen zurzeit nur Notfälle. Rufen Sie doch in einem Monat wieder an.

Meine Freundin versucht es mehrere Monate lang, immer dasselbe. Der Fuß tut weh, sie ist genervt, schließlich lässt sie den Eingriff in einer privaten Einrichtung machen. Eine Woche musste sie darauf warten. Meine Freundin hat eine private Krankenversicherung, sie bezahlt nur einen Teil der Kosten von einigen Tausend Euro.

Wer nicht privat versichert ist und auch kein finanzielles Polster für medizinische Notfälle angelegt hat, der darf: warten, warten, warten. Nicht selten über ein Jahr auf Facharztvisiten, Untersuchungen oder eben Eingriffe, die nicht als supermegadringend eingestuft wurden, aber den Patient*innen trotzdem Beschwerden, Schmerzen und schlaflose Nächte bereiten: Es könnte ja doch etwas Ernstes sein.

Gewiss, warten ist nicht immer falsch. Eine Vielzahl an Wehwehchen verschwindet von alleine, sodass eine kostspielige Untersuchung gar nicht nötig ist. Manchmal verschwindet mit dem Wehwehchen aber auch der oder die Patient*in, und zwar für immer, weil’s halt doch was Gröberes war: Auch dann hat die Sanität Geld gespart. Ich warte gespannt, wie lange es dauern wird, bis die ersten Do-it-yourself-Lösungen auf den Markt kommen: Das „Amputation für Dummies“-Kit, das Online-Tutorial für Darmspiegelungen mit dem Gartenschlauch, oder die Anleitung, wie man Hüftgelenke ganz easy aus Lego bauen und von den Enkelen spielerisch einsetzen lassen kann.

Dieser Zynismus mag nicht angebracht sein, weil es ein ernstes Thema ist, aber das wirklich Zynische an der Sache ist, dass Gesundheit auch bei uns eine Kostenfrage geworden ist. Wer es sich leisten kann, dem wird geholfen. Allen anderen bleibt nur: warten, warten, warten. Und hoffen.

von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin

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