Gesellschaft & Wissen

„Wos tuaschn du iaz?“

Aus ff 47 vom Donnerstag, den 19. November 2020

Greta Fischnaller
„In Krisenzeiten muss man Glück haben, dass das, was man findet, einem auch gefällt“, sagt Greta Fischnaller © Privat
 

Diese Frage ist mir nach der Matura täglich gestellt worden. Wenn nicht von anderen, dann von mir selbst. Auch wenn die Frage gut gemeint ist, auf mich wirkt sie vorwurfsvoll.

Okay, dass ich mir den Sommer freinehme, konnten die meisten noch verstehen. So kurz nach der Matura im Juni, da darf man schon mal etwas faulenzen. Aber für den Herbst noch keinen Plan zu haben, das fanden viele unvernünftig. Doch genau dieser Herbst, mit dem die zweite Corona-Welle kommen sollte, verunsicherte mich schon in den Sommermonaten.

Eigentlich wollte ich für ein paar Wochen in Florenz oder Mailand leben, um mein Italienisch zu verbessern. Vor allem aber wollte ich einmal von hier wegkommen – das Leben in der großen Stadt genießen. Das war zumindest mein Plan. Aber aus Angst, den düsteren Winter im Lockdown in einer unbekannten Stadt zu verbringen, allein, ohne Freunde, ohne Familie, in einer Wohnung mit überteuerter Miete, änderte ich meine Pläne. Zu Hause ist es ja auch ganz schön. Aber auf die Frage „wos tuaschn du iaz eigentlich?“ wollte ich doch antworten können.

Immer wieder bekam ich zu hören, dass die Matura 2020 doch nur geschenkt sei, und ob ich mir nicht Sorgen mache, dass künftige Arbeitgeber diese nicht als gleichwertig ansehen würden. Keine Aussagen, die mich zuversichtlich stimmten.

Ich gehöre zu dem Jahrgang, der die erste „Corona-Matura“ absolviert hat. Wir sind diejenigen, die sich in diesem Chaos zurechtfinden müssen. Die Schule hat uns beigebracht, wie man Lebensläufe erstellt und E-Mails verfasst, das Allernotwendigste, um uns für die Arbeitswelt „vorzubereiten“. Doch die Arbeitssuche in einer Pandemie ist hart. Wie soll ich inmitten dieser Weltuntergangsstimmung einen klaren Kopf dafür haben, wie ich meine Zukunft gestalten möchte? Eine Arbeitsstelle, einen Studienplatz oder ein Praktikum – früher oder später legten sich auch meine Mitschüler, Freunde und ich fest. Ich eher später. Man soll dieses Jahr ja nicht „verschwenden“.

Ich interessiere mich für Journalismus und schreibe gerne, deswegen habe ich mich beim Wochenmagazin ff für ein Praktikum beworben. Die Zusage hat eine große Last von mir genommen. In Feierlaune bin ich deswegen aber nicht. Meine Freunde erzählen von zahlreichen Bewerbungen, die ignoriert oder mit Absagen beantwortet wurden. Die wenigsten Arbeitgeber suchen neue Arbeitskräfte. In Krisenzeiten muss man Glück haben, dass das, was man findet, einem auch gefällt. Oft werden die eigenen Ansprüche gesenkt, vielleicht auch aus Angst, während der dunklen Wintermonate ohne Beschäftigung zu Hause eingesperrt zu sein.

Einige meiner Freunde reisten als Erstsemester mehr oder weniger zuversichtlich in die von ihnen gewählte Studentenstadt. Nach Wien, Innsbruck oder nach Mailand. Inzwischen werden aber die meisten Vorlesungen online abgehalten. Praktika wurden abgesagt. Studenten und Studentinnen sitzen in ihrem viel zu teuren WG-Zimmer vor dem Laptop und lernen neue Inhalte über Zoom.

Das könnte man auch von Südtirol aus, mit einem regulären Studium lässt sich das jedenfalls nicht vergleichen. Das Studentenleben stellt man sich doch anders vor. Die „besten Jahre“ verbringt man heute damit, sich jeden Tag die Nachrichten anzuschauen und zu hoffen, dass die Fallzahlen sinken. Keine Partys. Kein Spaß. Nur der Ernst des Lebens. Nebenjobs, um sich das eigene Leben zu finanzieren, sind auch schwer zu finden.

Wer nicht zu denen gehört, die eine Zusage von der Uni erhalten haben, sind nach wie vor damit beschäftigt, sich den Kopf zu zerbrechen: Wie löst man das Problem Zukunft am besten?

Dieses Jahr stellt uns auf die Probe. Aber diese Herausforderungen stärken uns auch. Wir werden selbstbewusster durch unsere Erfahrungen. Bald werden wir einen Punkt erreichen, wo uns die Frage „Wos tuaschn du iaz eigentlich?“ nicht mehr Angst macht. Wir werden selbstbewusst berichten, was wir erreicht haben oder erreichen wollen. Oder, dass wir auf dem Weg dorthin sind.

Greta Fischnaller

Greta Fischnaller, 19, aus Lüsen, hat am Sozialwissenschaftlichen -Gymnasium Brixen maturiert.
In den nächsten Monaten hospitiert sie bei ff.

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