Die Isolation bietet Gelegenheit zur Einsicht und Umkehr. Meine Erkenntnis bisher: Die gute alte reale Welt ist weit besser als ihr Ruf.
Kultur
Rehe, die töten
Aus ff 16 vom Donnerstag, den 16. April 2020
Literatur – Olga Tokarczuk: (gm) Im Sommer tummeln sich hier die Städter, im Winter leben auf dem Hochplateau an der polnisch-tschechischen Grenze nur drei Menschen. Eine von ihnen ist Janina Duszejko, mit den anderen beiden Männern hat sie nicht viel zu tun. Bis einer von ihnen, „Bigfoot“, stirbt, er ist an einem Rehknochen erstickt. Bald sterben weitere Menschen einen seltsamen Tod. „Gesang der Fledermäuse“ (Kampa Verlag 2019, 320 Seiten, 26,40 Euro) ist ein früher Kriminalroman der polnischen Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk (58). Ach was, Kriminalroman, es ist ein Roman über schräge Vögel, Astrologie, die Literatur und die Kraft der Einbildung. Und Männer, die alle Tölpel sind.
Janina Duszejko ist eine unzuverlässige Erzählerin, ihr ist nicht zu trauen, sie verwickelt uns in ein literarisches Ratespiel, sie zieht raffiniert die Fäden in diesem Mordreigen. Olga Tocarczuk hat „Gesang der Fledermäuse“ glänzend komponiert, es ist eine Komposition aus Krimi (haben Tiere die Menschen getötet?), philosophischem Essay und literarischen Verweisen, bei denen vor allem die Lyrik des englischen Dichters und Naturmystikers William Blake (1757-1817) eine Rolle spielt.
Am Ende fliegt die Ich-Erzählerin auf, aber sie kommt davon. Und wir sind gefangen von diesem Roman und seinem Sprachzauber.
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