Kultur

Freund und Förderer

Aus ff 24 vom Donnerstag, den 11. Juni 2020

Horst Sitta, * 5. Mai 1936; † 25. Mai 2020.
Stephanie Risse: „Wir verlieren in Südtirol einen beeindruckenden Lehrmeister der deutschen Sprache.“ © Universität Zürich
 

Er setzte sich nicht nur für die deutsche Sprache in Südtirol ein, sondern erarbeitete die vergleichende Grammatik Deutsch-Ladinisch-Italienisch. Nun ist der Germanist Horst Sitta im Alter von 84 Jahren gestorben. (Beitrag von Stephanie Risse)

Bis zu seiner allerletzten Prüfung im Sommer 2015 konnte man Horst Sitta als einen Deutschprofessor aus Passion erleben: Mit seinen knapp 80 Jahren saß der Germanist und Sprachdidaktiker hellwach seinem jungen Studenten in der Brixner Fakultät für Bildungswissenschaften gegenüber. Sichtlich gequält hatte dieser schon zweimal vergeblich versucht, die „schreckliche Linguistik-Vorlesung“ zu bestehen. Jahrelang hatte man ihm hier in der Schule erklärt, er habe eine Lese-/Rechtschreibschwäche, weswegen er an seiner vermeintlichen „Schwäche“ schon mehrfach gescheitert war. Horst Sitta hingegen belehrte den Studenten mit großer Geduld eines Besseren, und so hatte der junge Mann offensichtlich begriffen, was es mit der vermeintlich schrecklichen Grammatik des Deutschen so auf sich hat: Er bestand die Prüfung mit Bravour. Der Knopf sei ihm endlich aufgegangen, verkündete der angehende junge Grundschullehrer anschließend sichtlich erleichtert, was der Deutschprofessor mit einem wohlwollenden Lächeln quittierte.

Horst Sitta, der am 25. Mai in Zürich friedlich verstarb, gehörte zu den umfassend gebildeten Germanisten und Sprachdidaktikern, die Generationen von Studierenden mit ihrem Wissen zur deutschen Sprache beeindrucken und viele begeistern können. Der studierte Altphilologe und Germanist Sitta arbeitete zunächst als Gymnasial-lehrer in Baden-Württemberg, bevor er an die Hochschule wechselte, nach seiner Habilitation zunächst nach Aachen und ab 1976 an die Universität Zürich, bei der er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2001 den Lehrstuhl für Deutsche Sprache, insbesondere Gegenwartssprache innehatte.

Er war Ende der 1990er-Jahre Vertreter der Schweiz in der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“, war jahrelang im Kuratorium des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim tätig und über den deutschen Sprachraum hinaus vorrangig als Förderer der Germanistik in Italien bekannt. Diese blickt auf eine lange und stolze Tradition in der Literaturwissenschaft, von der sich die germanistische Sprachwissenschaft erst in den letzten Jahrzehnten zu einer eigenständigen Disziplin emanzipieren und entwickeln konnte.

„Intellektuelle Visionen über Grenzen und Fachdisziplinen hinweg können nur im direkten Austausch zwischen den Menschen entstehen“, diese Überzeugung führte Horst Sitta viele Jahre vornehmlich nach Pisa, wo er vor Ort mit Rat und Lehre an vielen Konferenzen, Seminaren und Doktorandenausbildungen zu Themen teilnahm, die ihm am Herzen lagen, wie die Beziehung zwischen Linguistik und Sprachunterricht, die Beziehungen zwischen Grammatik, Norm und Vielfalt und das wissenschaftliche Schreiben. So bedauert die Pisaner Germanistin Marina Foschi im Namen der Associazione Italiana di Germanistica: „Mit Horst Sitta verliert die Germanistik in Italien einen bedeutenden Gelehrten und einen engen Freund.“

Das Engagement für die deutsche Sprache in Italien führte Horst Sitta überdies nach Südtirol, wo er von 2008 bis 2015 als Lehrbeauftragter an der Fakultät für Bildungswissenschaften unterrichtete und das Kompetenzzentrum Sprachen der UniBZ ebenso unterstützte, wie er jüngere Kolleginnen förderte. Trotz seiner germanistischen Bandbreite blieb Horst Sitta zeit seines Lebens vor allem Grammatiker mit Leib und Seele. Grammatik, verstanden als ein Konstrukt, das auf den Menschen bezogen ist und sich notwendigerweise mit diesem auch wandelt. So setzte er sich nicht nur für die deutsche Sprache in Südtirol ein, sondern erarbeitete im Auftrag des Ladinischen Bildungsressorts gemeinsam mit Heidi Siller-Runggaldier und Peter Gallmann die mehrbändige vergleichende Grammatik Deutsch-Ladinisch-Italienisch.

Und so verlieren auch wir in Südtirol in Horst Sitta einen tatkräftigen Freund und Förderer unserer Sprachen, einen ebenso verehrten wie humorvollen Kollegen und nicht zuletzt einen beeindruckenden Lehrmeister der deutschen Sprache.

Stephanie Risse ist Professorin an der Fakultät für Bildungswissenschaft der Freien Universität Bozen in Brixen.

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