Leben

Südtirols Goldkehlchen

Aus ff 02 vom Donnerstag, den 12. Januar 2017

Sonja Weissensteiner,
Sie jodelt und singt, schunkelt und tanzt, reitet und radelt in ihrer Sendung: Sonja Weissensteiner, ein Multitalent. Der Karriere wegen zog es sie vom Eggental in das ferne München. Und doch ist sie für die Leser der ff die einflussreichste Frau Südtirols. © Privat
 

Sonja Weissensteiner ist hübsch, unkompliziert und singt gerne über die Liebe und die Berge. Jetzt haben die ­ff-Leser die Moderatorin und Sängerin zur einflussreichsten Frau gekürt. Wie erklärt sich der Erfolg der Eggentalerin?

Ihr allererster Auftritt war ein kompletter Reinfall. Gerade mal 13 ­Jahre alt war Sonja Weissensteiner, als sie sich auf dem Kastelruther Spatzenfest Tausenden Volksmusik-Fans stellte. Dass sie vorher allerdings einen Soundcheck hätte machen müssen, hatte ihr niemand gesagt damals. Auch hatte ihr niemand erklärt, dass dabei die Technik auf die ­eigene Stimme eingestellt wird. Sie sang einfach darauflos – und versagte. Nicht einen Ton, den sie von sich gab, ­konnte sie hören. Am Gesichtsausdruck ihres Vaters sah sie, wie schief ihr Gesang geklungen haben muss. Nichtsdestotrotz kämpfte sie sich durch ihr Programm, ­irgendwie.
Seitdem sind einige Jahre vergangen. Aus dem „Spatz aus Südtirol“, wie sie damals genannt wurde, ist ein Sternchen in der Volksmusikbranche geworden – und jetzt haben sie die ff-Leser auch noch zur einflussreichsten Frau Südtirols gewählt.
Wir treffen die junge Frau in der Laurin-Bar in Bozen. Einflussreiche gehen dort an diesem Freitagnachmittag ­zwischen den Jahren ein und aus – Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, Besitzer von Busunternehmen. Und eben Sonja Weissensteiner, Star am deutschen Schlager- und Volksmusikhimmel und zu perfekt, um wahr zu sein.
Nicht ein schlechtes Wort spuckt das Internet über Sonja Weissensteiner aus. Alles an ihr scheint makellos, die blonden Haare locken sich leicht in den Spitzen, die Fingernägel sind perfekt gefeilt. Sie strahlt. So wie sie eigentlich immer strahlt.
Herrgott, das gibt’s doch nicht! Jeder hat doch irgendwelche Macken, oder?
Sonja Weissensteier ist am idyllischen Karerpass aufgewachsen. „Unter dem Rosengarten“, sagt sie selbst. Und so, wie sie es sagt, klingt es ein bisschen wie die Titel der Lieder, die sie singt. Schön kitschig. Ihre Kindheit dauerte bis zu ihrem 11. Lebenjahr, da stand sie das erste Mal in einem Tonstudio. Sie sang ein Lied zum Geburtstag ihrer Großmutter ein: „Ich hab die beste Oma“. Eine Überraschung sollte es werden. Der Produzent war so begeistert von diesem kleinen Blondschopf, der so selbstsicher ins Mikrofon sang, dass er kurzerhand ein Album mit Weissensteiner aufnehmen wollte. Ihr Vater sei zwar anfangs skeptisch gewesen, doch schnell ließ auch er sich vom Starpotenzial des Töchterleins überzeugen. Im Jahr 1996 veröffentlichte Sonja Weissensteiner ihr erstes Album, da war sie 15 Jahre alt.
Warum aber ausgerechnet die Volksmusikbranche? „Meine Karriere“, sagt Weissensteiner, „ist ein Selbstläufer gewesen.“ Sehr oft sei sie einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Noch öfter aber habe sie klar gesagt, wohin sie wirklich wolle: auf die Bühne. Irgendwann gaben ihre Eltern nach, deren einzige Bedingung: eine solide Schulbildung. Also maturierte Weissensteiner, schrieb sich zunächst auch in Salzburg für das Studium der Kommunikationswissenschaften ein. Der gute Wille hielt nicht lange an, nach ein paar Monaten schmiss sie hin. „Alles viel zu theoretisch“, sagt sie heute.
Von nun an ging alles Schlag auf Schlag. Umzug nach Schwaz, Anstellung bei einem regionalen Schlagerradio­sender, und bei den Dreharbeiten zum Musikantenstadl in Bozen lernte sie dann den damaligen Unterhaltungschef vom Bayerischen Rundfunk kennen. Er nahm das Südtiroler Goldkehlchen unter seine Fittiche und brachte sie nach München.

Weissensteiners Geschichte klingt wie ein Märchen. Eine Geschichte, in der die gebürtige Eggentalerin immer auch viele glückliche Zufälle auf ihrer Seite hatte. Oder steckt mehr dahinter? „Wäre ich ein naives Blondchen“, sagt sie, „hätte ich einen Unterhaltungschef geheiratet, um auf diesem Wege Karriere zu machen. Mein Erfolg aber ist hart erarbeitet.“
Sagen wir es so: Es gibt Sonja Weissensteiner, die Schlagersängerin. Es gibt Sonja Weissensteiner, die berühmte Moderatorin. Es gibt Sonja Weissensteiner, die Mutter zweier Töchter. Fragt man sie, wer sie denn nun sei, sagt sie: „Eine Moderatorin, die auch nicht davor zurückschreckt, in ihrer Sendung selbst zu singen.“ Oder zu tanzen und zu schunkeln, zu reiten oder mit einem Fallschirm durch die Gegend zu fliegen. – Kurzum: die Helene Fischer Südtirols.
Fünf Alben hat Sonja Weissensteiner mittlerweile veröffentlicht und unzählige Fernsehauftritte hinter sich. Nahezu ihr ganzes Leben schon steht sie in der ­Öffentlichkeit, ist erwachsen geworden vor den Augen ihrer Fans. Sonja Weissensteiner, die Nahbare. Die Berührbare. Ohne dass man ihr je wirklich nahekäme.
Weissensteiner lässt keinerlei Brüche zu, keine Peinlichkeiten, nichts Griffiges. Ihre Karriere und ihr Leben scheinen so makellos wie ihre blitzweißen Zähne. Der peinlichste Moment, der ihr je passiert ist? Sie lacht, denkt kurz nach und sagt: „In einer Livesendung hab ich mal den Namen eines Gastes vergessen. Aber ich habe das Problem dann einfach laut ausgesprochen, so direkt wie ich eben bin. Er hat es mit Humor genommen und mir seinen Namen noch einmal gesagt.“
Frau Weissensteiner, alle finden Sie perfekt. Sind Sie es? „Nein“, antwortet sie, winkt ab. Perfekt wäre langweilig, sagt sie. „Jeder braucht doch Ecken und Kanten.“ Sie sitzt aufrecht, nur manchmal macht sie während des Gesprächs eine kleine Handbewegung, dann stützt sie ihren Kopf mit zwei Fingern leicht auf. Diese Stellung wird sie die nächsten 60 Minuten lang beibehalten. Es fällt schwer, ­besagte Ecken und Kanten bei ihr zu finden. Eine „kleine Besserwisserin“ sei sie, sagt sie. Aber sie könne sich auch genauso gut wieder entschuldigen, wenn sie jemandem zu sehr auf die Füße tritt. Manchmal, sagt sie, sei sie selbst für ihre Branche zu unkompliziert, zu einfach. „Ein bisschen mehr Stargefühl täte mir ganz gut.“
Das Jahr 2016, sagt sie, sei beruflich ein Highlight gewesen. Ihre Sendung „Musik in den Bergen“ zählt mit 1,2 Millionen Zusehern mittlerweile zu den quotenstärksten Unterhaltungsformaten im Bayerischen Rundfunk. In jeder ­Folge präsentiert sie eine der schönsten ­Regionen des Alpenraums, sie wandert darin zu malerischen Plätzchen in romantischen Tälern. Umrahmt ist das Ganze von Liedern – „Musik in den Bergen“ eben. Auf die Reihe kriege sie das Ganze, Beruf und Familie, dank ihres Ehemannes, des „tollen Toni“, wie sie sagt. Ein Arzt aus Bozen, mit dem sie seit sieben Jahren liiert ist. Sie spricht viel von ihm, obwohl man sie gar nicht nach ihm gefragt hat. Gemeinsam haben sie zwei Töchter, sechs und drei Jahre alt. Beide, sagt Sonja Weissensteiner, seien sehr musikalisch. „Gott sei Dank“, sagt sie, „denn mein Mann ist total unmusikalisch.“
Sonja Weissensteiner ist eine Art Projektionsfläche für die flüchtigen Sehnsüchte der Menschen. Die Kunst besteht darin, dass das Publikum glaubt, alles sei echt: die Show, die Lieder, das ganze Leben. Das geht nur, wenn man selbst fest daran glaubt. So heil aber, wie es in den Shows scheint, ist es nicht. „Die Zeiten einer Caroline Reiber oder eines Karl Moik sind schon lange vorbei“, sagt sie. Damals habe ein Sender noch in seine Moderatoren investiert, habe sie aufgebaut und über die Jahre getragen. „Heute ist es ein Wettstreit um Verträge. Man angelt sich von Produktion zu Produktion.“ Alt zu werden in ihrem Job, sei schwierig, sagt sie. Sie sei sich bewusst, als Frau in dieser Branche mit einem Verfalls­datum versehen zu sein. Das Aussehen würde eben doch eine große Rolle spielen, ob man wolle oder nicht.
Welchen Namen müsste ein Porträt über sie tragen? „Die Normale. Oder, noch besser: Die Bodenständige.“
Sie legt großen Wert darauf, dass sie trotz Karriere und Schlagerstar-Rummel „total normal“ geblieben sei. Eine, die sich beim Mittagessen auch einmal das zart­rosa Oberteil bekleckert und deshalb nicht gleich ausrastet, sondern darüber lachen kann. Vielleicht ist sie deshalb ehrlich überrascht, zur einflussreichsten Südtirolerin gewählt worden zu sein. Um so einen Titel, sagt sie, würde sich wohl eher eine Politikerin reißen. Weshalb? „Vielleicht um ihr Image damit aufzubessern.“ Sie habe im Vorfeld dieses Treffens ­lange darüber nachgedacht, welchen Einfluss sie tatsächlich ausüben könnte. Ihre Antwort: „Durch das, was ich tue, repräsentiere ich das Land gewissermaßen nach außen und nach innen. Ich habe einen gewissen Werbeeffekt für dieses Land.“ 
Stefanie Unterthiner

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