Leben

Die Trixie GmbH

Aus ff 21 vom Donnerstag, den 24. Mai 2018

Beatrix Unterhofer
Beatrix Unterhofer, 51, eine quirlige Oberboznerin, die neugierig ist und die Menschen mag: „Mein Kapital sind meine Kontakte und meine Freiheit.“ © Alexander Alber
 

Die PR-Lady Beatrix ­Unterhofer kennt das ganze Land. „Ich kann oft viel sein“, sagt sie, „für manche Menschen zu viel.“

Am 2. Dezember 1999 fährt Beatrix Unterhofer von Salzburg nach Hause zurück. Es ist schon dunkel, eine sternenklare Nacht, als sie die Brennergrenze überquert. Sie ist müde. Früh am Morgen schon war sie hinausgefahren, zu einem Termin beim Trachtenhersteller Gössl. Sie hat viel Freude mit diesem Kunden, einige Jahre schon leitet sie die PR- und Pressearbeit für das Salzburger Traditionsunternehmen, italienweit.
Nur kurz die Augen schließen! Nur für einen winzigen Moment …
Dann prallt sie auf die Leitplanke der Überholspur, wird plötzlich vom Licht der Scheinwerfer eines Lastwagens geblendet. Sie steigt auf die Bremse, reißt das Steuer herum.
Ich will nicht sterben …
Dann kracht es.
Beatrix Unterhofer. Eine quirlige Frau, durchsetzungsstark, eine Anpackerin, die neugierig ist und die Menschen mag. Sie will Sprachrohr sein für ihre Kunden. Sie versteht sich als eine, die Brücken schlägt zwischen den Menschen. Ihre Art, ihre Stimme sind ihr Instrument, die Welt zu entdecken. Eines, das sie sehr gut beherrscht.
Die junge Frau aus Oberbozen wird den Dezembertag als eine Art zweiten Geburtstag feiern. Sie kommt mit ein paar gebrochenen Rippen und einem Schleudertrauma davon, muss eine Halskrause tragen und mehrere Monate pausieren.
Das sind die äußeren Verletzungen. Die Wunden in ihrem Inneren sind schwerer zu heilen.
Was kann ich eigentlich gut? Wie kann ich ein Leben führen, das zu mir passt und mir guttut?
Der Unfall hat alles verändert. Bis dahin war sie mehrheitlich Miteigentümerin der erfolgreichen Werbeagentur „n!project“, gemeinsam mit zwei Kompagnons hatte sie diese 1996 gegründet. Ihre Arbeit bestand darin, Kontakte zu Kunden zu knüpfen und zu pflegen, Veranstaltungen zu moderieren, PR- und Werbetexte zu schreiben, die Pressearbeit für Unternehmen zu machen. Die Firma lief gut, drei bis vier Angestellte und große Kunden: Niederstätter, Finstral, Loacker, Rubner, um nur einige zu nennen. Sie kann nicht genau sagen, wann es angefangen hat, dass sie all das belastete. Und sie sich mit ihren Kompagnons auseinandergelebt hatte.
Sie denkt viel nach, beginnt, ihr Leben umzukrempeln. Schließlich trennt sie sich von ihren zwei Geschäftspartnern, sie lösen die gemeinsame Werbeagentur auf. Es ist der Start in ein neues Leben. Es ist der Start von „b.you“.

Die Wolken hängen wie ein grauer ­Deckel über Bozen an diesem Mainachmittag, die Sonne macht sich rar. Draußen ist es ungemütlich, man hält sich lieber drinnen auf. Frühling hin oder her.
Als Treffpunkt hat Beatrix Unterhofer, von vielen, vor allem von Rittnern, „Trixi“ genannt, das Café im Hotel Laurin gewählt – Treffpunkt auch für Prominente und Halbprominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Es ist einer ihrer Lieblingsorte in der Landeshauptstadt, bei schönem Wetter kann man sie auf der Terrasse im Garten antreffen, auf dem letzten Tisch ganz hinten, dort, wo nachmittags die Sonne so wunderschön scheinen kann.
Die 51-Jährige ist aufgeregt. Ihre Person in dieser Form in den Mittelpunkt zu stellen, ist sie nicht gewohnt. Sie kümmert sich mehr um die Belange anderer. Sie hat sich vorbereitet, kramt einen Lebenslauf hervor, ein Kinderfoto und einige Zettel mit dem Inhalt ihrer Homepage. Dann legt sie ihren Schreibblock vor sich auf den Tisch, daneben ihre blecherne Federschatulle, in der Hand hält sie ihren Füller.
„Andere haben einen Stein als Talisman, ich habe einen Füller“, sagt sie und lacht. Mit einem Füller schreiben, das ist für sie etwas Persönliches: „Es entspannt mich.“ Besonderen Kunden schenkt sie am Ende der Zusammenarbeit einen Füller mit eingraviertem Namen.
Seit 16 Jahren ist Beatrix Unterhofer ihre eigene Herrin. Sie hat mit „b.you“ ihre eigene PR- und Presseagentur, organisiert Events und Jubiläumsfeiern, moderiert, schreibt Presse- und Werbetexte für Unternehmen, Vereine, Gemeinden und Hotels. „b.you“, das steht auch für B. U., also Beatrix Unterhofer, einerseits. Andererseits ist der Name Ausdruck für „Selbstsein, Selbstverwirklichung“. Fühlen, denken, reden und schreiben: Das ist es, was Unterhofer richtig gut kann. Die Kombination dieser Eigenschaften, sagt sie, ist der Garant für ein gutes Lebensgefühl – für ihre Kunden, deren Produkte, vor allem aber für sich selbst.
Wo soll man anfangen, diese Frau zu beschreiben? Vielleicht bei ihrer Stimme? Ganz sicher, auch bei ihrer Stimme. Sie gehört zu den ersten Geschichten, von denen sie spricht, wenn man es sich im Café einmal gemütlich gemacht hat. Sie hat eine dunkle Stimme. Als kleines Mädchen schon redete sie gern und viel, sang in der Gasthausstube, und ihr Vater spielte Gitarre; später entdeckte eine ­Bekannte ihre Stimme und brachte sie zum Kinderfunk der Rai, wo sie fortan vor allem Buben-Rollen für Hörspiele las – da war sie zwischen 11 und 14 Jahre alt. Sie entdeckte damals ihre Leidenschaft für das Radio: „Jedes Mal, wenn ich in ein Mikrofon sprach und eines in der Hand hielt, da ging mir das Herz auf“, sagt sie. „Und das ist bis heute so geblieben.“ Beatrix ­Unterhofer spricht auch jetzt mit kräftiger, aber warmer Stimme. Man kann sich gut vorstellen, wie sie eine Festgesellschaft alleine unterhält. Sie kann ihrem Gegenüber in kurzer Zeit das Gefühl von Nähe vermitteln, weil sie, oft ganz ohne zu zögern, sehr persönliche Dinge aus ihrem Leben erzählt. Geschichten, die nicht alle für die Zeitung bestimmt sind.
Sie erzählt von dem Tag, als ihr Vater mit nur 35 Jahren starb und ihre Mutter, sie und ihre drei Geschwister allein zurückließ – da war sie acht. Von ihrer Kindheit im Familiengasthaus ­Schluff am Ritten, wo sie in der Gaststube die Gäste unterhielt und bewirtete. Von ihrem kleinen Bruder, der 1984 ganz plötzlich starb, er fiel einfach um, sie saß neben ihm und konnte nichts mehr tun. Oder von der besonderen Liebe zwischen ihr und ihrem Mann Alex, den sie kennenlernte, als sie schon nicht mehr an die große Liebe geglaubt hatte.
Beatrix Unterhofer hat ein großes Herz und ein offenes Wesen. Manchmal ist das auch ihr Verhängnis. „Ich kann oft viel sein“, sagt sie. „Für manche Menschen zu viel.“ Es gebe Leute, die fänden, sie sei anstrengend, erzählt sie. Zum Stillsitzen aber habe sie schon immer zu viel Temperament gehabt.
Die Trixi, sagen viele, geht offen auf die Menschen zu, sie lässt sich nicht abwimmeln. Sie kann sehr hartnäckig sein, hat eine herzliche, aber auch sehr direkte Art. Die Trixi, die wirbelt durch die Welt.
Beatrix Unterhofer weiß, sie hat schon Menschen verletzt, nicht aus Vorsatz, sondern eben weil sie eine sehr direkte Art hat. „Man lässt im Laufe der Zeit auch Menschen auf der Strecke“, sagt sie.

Wenn es um Beatrix Unterhofer geht, muss man auch ganz vorne anfangen. Im Gasthaus Schluff im klassischen Sommerfrischgebiet Maria Himmelfahrt am Ritten. Dort gingen Bauern und Rittner Einheimische ebenso ein und aus wie das sommerfrischende Gutbozen, sie alle trafen sich abends zum Stammtisch im ­Schluff – die Amonns, Riz, von Lutterottis, von Walthers, nicht zuletzt die Grafen von Toggenburg. Selbst Berühmtheiten wie Joachim Blacky Fuchsberger, Alois Mock, Hans Jochen Vogel oder die Sängerin Milva waren dort Gäste. Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schaut ab und zu im Schluff vorbei.
„Die Courage, auf Menschen zuzugehen“, sagt Beatrix Unterhofer, „kommt sicher von alldem.“ Durch den Umgang mit so vielen und so unterschiedlichen Menschen habe sie auch viel „seelischen Schmerz“ überwunden. Wenn sie unter Leuten ist, dann geht es ihr wieder gut.
In der Tradition des Schluff liegt es, dass die Frauen stark sein müssen: Ihre Oma verlor den Mann früh, ihre Mutter auch. Diese kaufte der Kurie schließlich den Schluff ab, sie brachte damit ihre vier Kinder durch. Beatrix Unterhofers heile Kinderwelt wurde plötzlich dunkel, sie wird ein halbes Leben daran arbeiten, sich ein Stück Kindheit zurückzuholen.
Von nun an packten alle Kinder mit an im Betrieb. Immer zusammenhalten und sich zusammenraufen, daran hält man sich jetzt. Einfach ist das nicht immer. „Wir haben auch viel gestritten“, erzählt Beatrix Unterhofer. „Alle wollten wir unserer Mutter beweisen, dass wir es schaffen.“ Ihre Mutter, die Schluff-Katy, wie sie auch gern genannt wird, hat fast ein Leben lang in der Küche des Lokals verbracht. Beatrix, ihre Zweitgeborene, war lieber draußen in der Stube und im Garten und unterhielt die Gäste. Schon damals zeigte sich, dass sie nicht auf den Mund gefallen ist. „Unsere Familiengeschichte steht nicht auf der Speisekarte, ist im Preis nicht inbegriffen“, konterte sie, wenn ein Gast mal wieder zu viele persönliche Fragen stellte.
Die Sprache ist Unterhofer seit jeher der Schlüssel zur Welt. Nicht nur in der Gaststube. Schon früh schrieb sie Mundartgedichte und Kurzgeschichten. Das Schreiben hilft ihr, vieles zu verarbeiten.
Viele Rittner und andere Gäste sahen in ihr eigentlich schon immer die nächste Schluff-Wirtin. „Bring einen Wirt oder einen Koch als Mann, dann ­überschreibe ich dir den Betrieb“, sagte ihre Mutter immer zu ihr. „Aber es war kein Koch und kein Wirt da“, sagt Beatrix Unterhofer und lacht. Also ging sie auf die Handelsoberschule in Bozen, maturierte – entgegen der damaligen Meinung, ein Mädchen brauche keine Matura.
Beatrix Unterhofer wollte noch einen Schritt weiter in die Zukunft tun. Und sich von zu Hause abkapseln. Also ging sie nach Wien, studierte Germanistik und Publizistik, jobbte nebenbei als ­Radiomoderatorin bei Radio Wien, Ö3 und Ö1, arbeitete für die TV-Sendung ORF „Seitenblicke“, dazwischen als Urlaubsvertretung bei der Rai, schrieb Artikel für österreichische und auch Südtiroler Zeitungen. „Ich hätte gut eine journalistische Karriere verfolgen können“, sagt sie, „aber irgendwann wurde das Heimweh zu stark.“
Unter dem sprühenden Temperament der Beatrix Unterhofer steckt eine zähe Kämpferin. Ihr Leben, so hat man den Eindruck, reicht eigentlich für mehrere Leben. Auch in persönlich schwierigen Zeiten hat sie sich immer wieder zurückgekämpft. Aber kämpft sie nur für ihre Kunden, ihre Familie? Oder auch für sich selbst?
„Ich glaube an mich“, sagt sie, „vergesse aber immer wieder, mich auf mich selbst zu besinnen.“ Die Branche, in der Unterhofer arbeitet, ist zäh. Ihre Kunden reichen mittlerweile vom Schönheitschirurgen über Künstler bis hin zu Weinbauern oder Vereinen wie die Alzheimergesellschaft. Wenn sie einen Kunden übernimmt, dann muss sie an ihn und sein Produkt glauben. „Sonst bin ich nicht gut. Und nur ein bisschen gut sein, das geht bei mir nicht“, sagt sie. „Halb schwanger sein, das geht ja auch nicht.“
Bei ihrer Arbeit gibt sie alles, sie putzt Klinken, arbeitet hart. Sie ist sich nicht zu schade, tagelang auf einer Messe Eiskugeln zu schöpfen oder den Journalisten die Pressemappen persönlich in die Redaktionen nachzutragen. Aber selbst ihr Tag hat nur 24 Stunden.
„Ich weiß“, sagt sie, „ich gehe den Leuten oft auf die Nerven. Das ist nicht immer sympathisch. Aber eine gewisse Hartnäckigkeit braucht es.“ Ihre Kontakte und ihre Freiheit, sagt sie, das sei ihr Kapital.
In diesen Tagen wird Beatrix Unterhofer dann doch einmal alle Fünfe gerade sein lassen und im Süden Italiens die Sonne genießen. Irgendwann, am Ende eines weiteren Treffens, atmet sie tief durch, um sich zu sammeln. „Wenn ich ganz bei mir bin“, sagt sie, „dann weiß ich, dass ich alle Lösungen in mir habe.“
Und schiebt dann gleich noch einen selbstironischen Satz hinterher: „Über das Leben zu reden, kann ganz schön anstrengend sein.“

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  • Beatrix Unterhofer Beatrix Unterhofer

Beatrix Unterhofer, geboren 1967, als zweites von vier Kindern auf dem Ritten ­aufgewachsen. Die Wirthaustochter hat in Wien Germanistik und Publizistik studiert. Nach ihrer Rückkehr ­arbeitete sie zunächst als Werbeleiterin bei Salewa, später ­gründete sie mit zwei Kompagnons die Werbe­agentur „full-service“.
Schon mit 20 Jahren war sie ­Publizistin, heute ist sie auch Filme­macherin. Seit 2002 hat sie ihre eigene PR- und Presse­agentur: „b.you“.
Sie ist verheiratet und lebt in ­Bozen und in Pinzon/­Montan. Sie sagt von sich selbst, dass ihre Talente „Fühlen, Denken, Reden, Schreiben“ sind.

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