Leitartikel

­Die Wut und die Politik

Aus ff 19 vom Donnerstag, den 11. Mai 2017

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Alle wollen eine politische Spitzenklasse, aber möglichst billig. Das wird nicht gehen. Die Politikergehälter sind heute mittlerweile maßvoller als die Kritik, die an ihnen geübt wird.

Egal, was gerade ist und wie die Zeiten gerade sind, es gibt ein Thema, das jederzeit und in allen Schichten der Bevölkerung gleichermaßen Ärger verursacht und Aufmerksamkeit garantiert. Wann immer es darum geht, wie viel Geld Politiker verdienen, entsteht eine mehr oder weniger hitzige ­Debatte. Dass man alle Argumente, Vorurteile und Kritik in dieser Debatte bereits ausgetauscht hat, ist dabei völlig egal. Über die Gehälter von Politikern wird genauso gern geschrieben und getratscht wie über Sex oder Wetter.
Über drei Jahre sind vergangen, seit ­Südtirol heimgesucht wurde vom Skandal rund um die vergoldeten Politikerpensionen. Das Thema beherrschte über Wochen Politik und Medien: Aus politischen Gewinnern wurden über Nacht Verlierer, es gab parteipolitische Rücktritte, und plötzlich standen selbst in Bozen die Wutbürger auf der Straße. Seitdem kommt die Debatte über Politiker und Geld in Wellen auf und flaut wieder ab. Aus dem politischen Sturm ist fast unmerklich ein gleichmäßiges Rauschen geworden – bei Umfragen, in der Berichterstattung, am Stammtisch und auch beim Wahlverhalten.
Die bekannteste Gruppe in dieser ­Debatte sind die Wutbürger. Am Donnerstag dieser ­Woche (nach ff-Redaktionsschluss) haben sie erneut einen Auftritt: Auf dem Magnago-Platz vor dem Südtiroler Landtag demonstrieren sie gegen die ach so „gierigen und arroganten Politiker“. Aber, um es gleich klarzustellen: Mit solchen Wutreden wird bloß die Stimmung vergiftet. Vor lauter Wut wird kein Argument mehr gehört, es geht um keine echten Inhalte. Man beherrscht nicht die Kunst der Polemik, die sitzt, aber zugleich die Möglichkeit zulässt, sich in der Sache mit Argumenten zu streiten.
Die Gesamtausgaben der Politik (Landesregierung, Landtag, Regionalregierung) wurden in dieser Legislatur bislang um rund 26 Prozent, die Ausgaben für Repräsentationstätigkeiten und institutionelle Beziehungen auf weniger als ein Zehntel reduziert. Die Sonderausgaben für Landeshauptmann und Landesräte wurden ganz gestrichen, gesunken sind auch die Reisekosten. Die Politik-Kosten sowie die Politikerbezüge sind mittlerweile weit maßvoller als die Kritik, die an ihnen geübt wird. Anstößig sind nicht die Gehälter der Politiker – bestimmte Manager und Banker und tüchtige Versicherungsvertreter verdienen mehr. Anstößig ist, wenn ein ausgelutschtes Thema immer wieder hochgespielt wird.
Misslich freilich ist, dass es der ­Südtiroler Landtag bislang noch immer nicht geschafft hat, den Gesetzentwurf zu verabschieden, der die Anpassung der Diäten von Landesregierung und Landtagspräsidium an das Monti-Dekret 174/2012 regelt. Laut diesem dürfen Mitglieder der Landesregierung höchstens 13.800 Euro brutto im Monat erhalten. Alle Regionen und Provinzen im Stiefelstaat haben das Dekret mittlerweile umgesetzt. Außer Südtirol.
Da ist nur zu sagen: Macht den Sack endlich zu! Die Zeit der Debatte und des Streits hat schon viel zu lange gedauert. Selbstbewusste Politik nämlich hat keine Angst vor der Macht der Wut und des Neids.

Wenn die sogenannten Wutbürger aus all dem den Politikern nun einen Strick drehen wollen, ist das etwas heuchlerisch und greift zu kurz.
Gelegentlich kann man den Eindruck haben, Politiker würden es ihren Kritikern und den Wutbürgern nur noch dann recht machen, wenn sie auf ihr Gehalt ganz verzichten. Alle wollen zwar eine politische Spitzenklasse, aber möglichst billig bitte. Das wird nicht gehen. Entweder Politiker bekommen das Geld, das sie verdienen, oder Südtirol hat Politiker, die es sich ganz bestimmt nicht verdient. Von Volksvertretern wird zu Recht verlangt, dass sie gute Arbeit leisten und sich für die Sache engagieren. Aber gute Arbeit muss auch gutes Geld wert sein.
Und wenn man dann findet, dass die Arbeit des einen Politikers oder der einen Politikerin das Geld nicht wert ist, muss man ihn oder sie ja nicht wieder wählen. So einfach ist das. 

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