Leitartikel

Kurz-Schluss in der SVP

Aus ff 42 vom Donnerstag, den 19. Oktober 2017

Leitartikel
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Nach der Wahl in Österreich tut Südtirol so, als hätte es mitgewählt. Die Grünen trauern, die Freiheitlichen jubeln. Und was tut die Südtiroler Volkspartei? Sie wird im Jahr vor den Landtagswahlen unmerklich nach rechts rücken.

Südtirol schaut nach Deutschland oder Österreich, wenn dort gewählt wird. So als würden wir in Deutschland oder Österreich leben. Wir lesen dann den Spiegel, Die Zeit oder womöglich auch die Junge Freiheit. Nach den Wahlen in Deutschland gab man sich, der politischen Anschauung gemäß, besorgt oder erfreut. Ähnlich war es jetzt auch nach den Wah­len in Österreich. Das „Vaterland“ gab sich einen Rechtsruck, und wir kommentierten ihn, als hätten wir mitgewählt. Die Grünen beweinten das Desaster ihrer Brüder und Schwestern, die ­Blauen feierten den Erfolg ihrer Kameraden jenseits des Brenners.
Südtirol übersieht, wenn es über Rechtspopulisten und deren Erfolge in Deutschland redet, dass im Landtag an die 30 Prozent deutsche Rechte sitzen, die man zu den Rechtspopulisten in Europa zählen kann und die sich ihnen auch zugehörig fühlen (Freiheitliche, Südtiroler Freiheit und Bürgerunion). Dass Fremdenfeindlichkeit bei diesen Parteien zum Standard gehört, dass die Freiheitlichen sich getrost auch Alternative für Südtirol nennen könnten mit der Mär von der „Massenzuwanderung“ und ihrer Sicherheitsobsession. Bei den Rechten ist Tabubruch und Grenzüberschreitung Standard.
Das alles haben wir in Südtirol schon. Trotzdem reden wir lieber von den Wahlerfolgen der AfD und der FPÖ.
Nach den Wahlen in Österreich umweht die Südtiroler Grünen ein Hauch von Depression, die Freiheitlichen hingegen bereiten sich schon auf die wilde Jagd auf die SVP bei den nächsten Landtagswahlen vor, die Südtiroler Freiheit hofft auf Rückenwind für Doppelpass und Selbstbestimmung.
Doch welche Schlüsse zieht die Südtiroler Volkspartei aus den Wahlen in Österreich? Landeshauptmann Kompatscher hat bereits versucht, die Sprengkraft des österreichischen Wahlergebnisses auf die SVP zu dämpfen. Migration, sagte er, sei in Südtirol nicht das beherrschende Thema, Südtirol habe diesbezüglich seine Hausaufgaben gemacht.
Wenn er sich da nur nicht täuscht. All jene Parteien, die gemeint haben, sie könnten sich um das Thema herumdrücken, haben einen Schaden davongetragen. Und sei es auch nur, weil sie wie die SPÖ der FPÖ hinterhergelaufen sind oder wie die Grünen die Arme ausgebreitet haben.

Sebastian Kurz, der der künftige österreichische Bundeskanzler sein dürfte, ist mit SVP-Obmann Philipp Achammer gut befreundet. Sie sind beide jung, politik- und machthungrig, belastbar und bereit, für den Erfolg viel, wenn nicht alles zu tun. Ihren Machtinstinkt und ihre Wendigkeit verbergen sie geschickt hinter ihrer Rhetorik. Sie sind schon lange in der Politik, aber verkünden: Wir sind das Neue.
Wir werden bis zu den Landtagswahlen im Herbst 2018 erleben, wie die Südtiroler Volkspartei unmerklich nach rechts rückt, wir werden erleben, wie sie ihren Koalitionspartner PD in Rom umschmeicheln und in Bozen angreifen wird, wir werden erleben, wie sich die Positionen beim Thema Migration und Ausländer oder Italiener in deutschen Kindergärten und Schulen verhärten werden. Wir werden vermutlich auch ab und zu von der SVP hören, dass zuerst den Einheimischen geholfen werden muss – Martha Stocker handelt ja bereits danach, auch wenn sie es nicht sagt.
Wird die Südtiroler Volkspartei wie die ÖVP versuchen, den Freiheitlichen die Themen zu klauen? Parteiobmann Philipp ­Achammer sagte im Rundfunk über den blauen Präsidentschafts-Kandidaten: „Mir graut vor Norbert Hofer.“ Nicht allen in der SVP passte dieser Satz, Achammer blieb standhaft. „Es gibt einige ­Positionen der FPÖ“, schob er hinterher, „die ich nicht teilen kann.“
Wird das auch in Zukunft gelten – im Jahr vor den Landtagswahlen? Zumal wenn in Wien Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache zusammen regieren, Strache das Amt des Innenministers bekleidet und womöglich auch Norbert Hofer in der Regierung sitzt?

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