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Leitartikel

Wann ist genug genug?

Aus ff 51 vom Donnerstag, den 21. Dezember 2017

Zitat
© ff
 

Die Landesregierung hat das Projekt zur Ski-Verbindung Langtaufers–Kaunertal abgelehnt. Aber nur vorerst, statt zu sagen: Schluss mit Ski-Erschließungen!

Nun also wurde ein Machtwort gesprochen. Nach langem Zögern hat die Landesregierung dem Projekt des skitechnischen Zusammenschlusses zwischen dem Langtauferer Tal und dem Kaunertaler Gletscherskigebiet jeneseits der Staatsgrenze eine Absage erteilt.
Immerhin. Manch einer – vielleicht ist es sogar die Mehrheit der Bevölkerung in diesem Lande – mag aufatmen: Wenigstens eines der letzten Täler im Lande, das von der brummenden skitouristischen Maschinerie noch nicht überrollt worden ist, wird verschont. Bravo!
Doch die Ruhe trügt. Denn die Begründung, mit der die Landesregierung das Projekt ablehnte, hat etwas beunruhigend provisorisches. O-Ton Landeshauptmann Arno Kompatscher am vergangenen Dienstag: „Es ist nur unzureichend dargestellt worden, welche positive sozio­ökonomische Entwicklung durch dieses Projekt im Langtauferer Tal und vielleicht darüber hinaus für den Raum des oberen Vinschgaus erzielt werden kann.“ Und Kompatscher weiter: Wenn es dabei schon eine Reihe von kritischen Aspekten für den Umwelt- und Landschaftsschutz gebe, wie vom Umweltbeirat festgestellt, dann müsse ein Projekt, das trotz dessen negativen Gutachtens genehmigt werde, „einen konkreten Vorteil und Nutzen für eine nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsraumes haben“.

Mit anderen Worten: Würde dieser Nutzen bei einer neu eingereichten Dokumentation ausreichend nachgewiesen, ließe sich das Projekt auch genehmigen. Vielleicht also ein andermal, zum Beispiel nach den Wahlen? Pardon, Herr Landeshauptmann – haben wir da etwas falsch in Erinnerung? Wollte diese Landesregierung nicht die Gutachten ihrer Fachkommissionen beherzigen, wie sie es bei ihrem Amtsantritt noch gelobte? Heißt es in der Analyse des immer noch gültigen Fachplanes „Aufstiegsanlagen und Skipisten“ von 2014 nicht wörtlich, dass die Verbindung zwischen Langtaufers und dem Kaunertal „den Wettbewerb zwischen den Skiregionen des Obervinschgaus verschärfen und folglich das prekäre regionale Gleichgewicht aufs Spiel setzen, andererseits zu großen Umweltauswirkungen in noch intakten Bereichen des Hochgebirges führen“ würde?
Außerdem: Welches Signal sendet man mit dem angedeuteten Kniefall vor dem Götzen Wachstum (um jeden Preis) an andere Skiliftbetreiber und die Tourismusbranche im Land, die nur darauf warten, ihre Skiverbindungs- und -erschließungsprojekte umzusetzen? (Projekte wie Tiers–Carezza, Rosskopf–Ladurns, Villnöß–Seceda, Kastelruth–Seiser Alm, Sexten–Kreuzbergpass/Comelico/Sillian).

Müsste die Ablehnung des Obervinschger Projektes also nicht von grundsätzlicher Natur sein, weil der Preis für Natur und Umwelt ein für allemal zu hoch ist für ein Tal, das bis heute mit der „Natur in ursprünglichster Form“ wirbt? Kann die Flucht nach vorne oder – um im Bild zu bleiben – nach oben ein altes Geschäftsmodell in die Zukunft retten?
Eine fragliche Strategie angesichts der Klimaveränderung mit wärmeren und schneeärmeren Wintern, stagnierenden Wintersportler-Zahlen und Blechlawinen, die kein Ende nehmen. Man ist drauf und dran, jenes Kapital zu zerstören, das dieses Land zum Sehnsuchtsort werden ließ. Noch immer sind politische oder wirtschaftliche Interessen (im Tourismussektor) höher gewichtet als nicht monetäre Werte wie Lebensqualität, Landschaft, Natur oder Biodiversität. Dabei sind es diese letzteren, mit denen die Chef-Touristiker unser Land in der Welt anpreisen.
Der Tourismus hat den Menschen in Südtirol zu Wohlstand verholfen. Die Frage, wie viel touristisches Wachstum dieses Land verträgt, wie viele neue Skischaukeln und -pisten, wie viele neue Hotels noch aus dem Boden sprießen, bis der Hunger der Tourismusbranche gestillt ist, ist von politischer Seite bislang unbeantwortet geblieben. Diese Landesregierung scheint keine Vorstellung davon zu haben, wo dieses Tourismusland hinsteuern soll. Dabei müsste sie nur auf ihre touristischen Chefmanager horchen (die diesbezüglich noch zu schweigsam waren). Diese wissen, dass Umweltverträglichkeit heute ein Wettbewerbsvorteil ist.

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