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Leitartikel

Kompatschers falscher Einsatz

Aus ff 01 vom Donnerstag, den 03. Januar 2019

Zitat
© FF-Media
 

Die SVP und der Landeshauptmann erregen sich über den Vorschlag, den Senat zu ­verkleinern. Dabei gäbe es viel wichtigere Dinge, auf die sie ihr Engagement lenken könnten.

Ist die Autonomie in Gefahr, wenn Südtirol einen Senator in Rom weniger hat? Oder ist es nicht eher sinnvoll, den Senat (315 Mitglieder) zu verkleinern, wo es doch daneben noch eine Abgeordnetenkammer mit 630 Abgeordneten gibt? Ist es ein Verstoß gegen das Autonomiestatut, wenn Südtirol dann nur 2 Senatoren von 200 stellen würde statt 3 von 315?
Ist es natürlich nicht, aber für die Südtiroler Volkspartei zählt nur das eigene kleine Interesse. Deshalb ist der Gesetzentwurf, der die Reduzierung der Senatoren vorsieht, der Aufreger zum Jahresende. Er kam der Partei gerade recht.
Landeshauptmann Arno Kompatscher hat ihn genutzt, um sein Profil zu schärfen. Arno, der Ritter, der mit gezücktem Schwert die Autonomie verteidigt. Sich Rückendeckung in Wien holt. Die Verhandlungen zur Bildung der neuen Landesregierung stoppt. Der damit sein Unbehagen überspielt, weil er bald mit einer Partei in der Landesregierung sitzt, wo er doch nach den Parlamentswahlen im März im kleinen Kreis verkündete: nie mit der Lega!
Der Protest passt ins Bild, das die Südtiroler Parlamentarier in Rom von sich geben. Sie haben nicht das Allgemeinwohl im Blick, sondern nur die Partikularinteressen dieses kleinen Volkes in den Bergen, das sich für besonders hält. Oder gar nur das Interesse dieser kleinen Volkspartei in den Bergen, die immer mehr schrumpft. Wenn ein Parlamentarier sein Amt richtig versteht, übernimmt er Verantwortung für das ganze Land. Überspitzt gesagt: Die Südtiroler Parlamentarier verstoßen gegen den Auftrag, den ihnen die italienische Verfassung gegeben hat.
Es sind andere Dinge, die die Autonomie in Gefahr bringen oder gebracht haben: der Doppelpass zum Beispiel, Sprengstoff für das friedliche Zusammenleben im Land. Kompatscher hält davon: nichts. Aber laut gesagt hat er das nie.
Und es sind andere Dinge, über die man im Land reden und dementsprechend handeln müsste. Nicht die Migration, mit der jetzt auch die SVP politische Geschäfte macht. Wo bei den Koalitionsverhandlungen versucht wird, den Zugang zu Sozialwohnungen für Ausländer zu beschränken. Ausländer müssen nachweisen, dass sie in ihrem Herkunftsland keinen Besitz haben: Hol du dir mal in einer Stadt, die von der Terrormiliz IS beherrscht wird, einen Grundbuchauszug! Aber das nur nebenbei.

Die wichtigeren Themen jenseits des Geplänkels um die Verletzung oder Erweiterung der Autonomie wären:
Wie verhindert man, dass Menschen in ­Armut abgleiten, wie gelingt es, die Löhne zu erhöhen? Wie schafft man Gerechtigkeit, auch und vor allem zwischen den Geschlechtern?
Wollen wir immer mehr Touristen, müssen wir dem Tourismus Grenzen setzen, wo doch Gastwirte kaum Grenzen kennen und Tourismusexperten neue Straßen fordern?
Wie gehen wir mit der Natur um, die die Grundlage für einen Teil unseres Wohlstandes und unserer Gesundheit bildet? Wollen wir neue Skipisten, neue Hotels, neue Straßen?
Wie befreien wir das Land vom Verkehr, von den LKWs, wie von den PKWs? Was wären wirklich innovative Verkehrskonzepte?
Wie lässt sich der Einsatz von Pestiziden verringern? Ist die Apfelmonokultur wirklich ein Grund, anzugeben?
Was können wir gegen Gewalt an Frauen tun?
Wie verbessern wir die Kenntnisse der zweiten Sprache? Warum lässt man eine mehrsprachige Schule nicht wenigstens als Versuch zu?
Wie überwindet man die Politikverdrossenheit? Wie fördert man das politische und ehrenamtliche Engagement? Wie bringt man die Leute wieder zum Reden?
Und vielleicht das Wichtigste: nicht Ängste zu schüren oder/und sich ihrer zu bedienen.
Das wären die Themen, in die der Landeshauptmann, der Südtirol gut verwaltet, aber eben nur verwaltet hat, seine ganze Leidenschaft legen könnte. Eigentlich müsste er ja jetzt frei sein, in seiner zweiten (und letzten?) Amtszeit. 

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