Der ehemalige Brixner Bürgermeister liebt den Geruch seiner frisch gebadeten Enkelkinder und ist sich gewiss, dass er schon einmal gelebt hat.
Leitartikel
Die Lega? Das kleinste Übel
Aus ff 03 vom Donnerstag, den 17. Januar 2019
Das eigentliche Problem der SVP: In dieser Partei sind die Uhren in den Epochen Magnago-Durnwalder stehen geblieben. Sie weiß nicht mehr, wofür sie steht. Landeshauptmann Arno Kompatscher bezahlt dafür die Zeche.
Das Problem der SVP ist nicht die Regierungskoalition mit der Lega. Diese Regierung ist das Ergebnis der Landtagswahl. Demokratie funktioniert halt nicht nur dann, wenn – aus meiner Sicht – „das Richtige“ herauskommt.
Das Problem der SVP: Ihr ist die Identität abhanden gekommen – und nicht erst seit heute. Statt Identität (im Neudeutschen: Corporate Identity) sprießt Beliebigkeit – also Austauschbarkeit. Deshalb wenden sich immer mehr Menschen von ihr ab, deshalb sprießen links und rechts von ihr neue Parteien aus dem Boden. Die SVP wird inzwischen nicht mal mehr von der Mehrheit der deutschsprachigen und ladinischen Südtiroler gewählt. Das hat es noch nie gegeben seit den ersten freien Wahlen im Jahr 1948.
Begonnen hat das Problem vor etwa zehn Jahren. Damals neigte sich die Ära Durnwalder dem Ende zu. „Der Luis“ hatte geliefert, in beeindruckender, ausreichender Weise. Magnago stand für den Kampf um die Autonomie, Durnwalder für Normalisierung und Entkrampfung nach jahrzehntelangem ethnischem Hickhack, und für die Verwirklichung von Infrastrukturen und Einrichtungen – von der MeBo bis zur Universität.
Im Jahr 2008 hatten Durnwalder und mit ihm die SVP ihren Job eigentlich erledigt. Aber während das Land bereit war, in eine neue Ära aufzubrechen, hatte die Politik genau davor eine höllische Angst: Durnwalder wurde überredet, doch noch eine Amtszeit anzuhängen. Wir wissen, wie’s ausgegangen ist. Im Jahr 2013 war die Luft dann dermaßen dick, dass die Leute wohl jeden gewählt hätten. Hauptsache Wachablöse, Hauptsache Erneuerung.
Und damit sind wir beim Problem: Die SVP, die Partei des Landeshauptmanns, wusste mit der Erneuerung weiterhin nichts anzufangen. In der Brennerstraße scheinen die Uhren immer noch in den Epochen Magnago-Durnwalder stehen geblieben zu sein, also gefühlt im vorigen Jahrhundert. Das Südtirol, mit dem diese beiden Politiker zu tun hatten, gibt es aber nicht mehr. Wenn die SVP nicht so alt wäre, könnte man von Pubertätskrise sprechen: Hilfe, Mama, was soll ich jetzt tun, wo ich langsam erwachsen werde?
Ein bisschen Doppelpass, ein bisschen Clil, mal Nachhaltigkeit, mal Turbotourismus, Sonntags viel Blabla für Tante Emma, Fair Trade und Regionalität, werktags Grundsteinlegung fürs dritte, fünfte, achte Einkaufszentrum. Wenn ich jetzt lese, dass die SVP sich mit der Lega „für leistbares Wohnen“ einsetzen will, frage ich mich: Ist der SVP wirklich entgangen, dass sich viele Familien keine Wohnung mehr leisten können?
Ich fürchte mich nicht vor einer Regierung mit der Lega. Ich fürchte, dass die SVP sich ihres eigentlichen Problems nicht bewusst wird: den Modeslogan der Erneuerung mit keinen oder, noch schlimmer, widersprüchlichen Inhalten gefüllt zu haben. Diese Partei ist dem Zeitgeist hinterhergehechelt und weiß jetzt nicht mehr, wofür sie steht. Dass es der Konkurrenz nicht besser ergeht, taugt nicht als Entschuldigung.
Die kommende Legislatur verspricht wenig Erhellendes. Das Programm liest sich wie eine päpstliche Enzyklika: hübsch, edel, aber eben wenig konkret. Was auffällt: Arno Kompatscher tritt die Wirtschaft, sein Steckenpferd, an Achammer ab. Man kann dies als Entlastung des vielbeschäftigten Landeshauptmanns interpretieren, oder als endgültigen Ritterschlag von Super-Philipp zum Obertaktmeister. Einen solchen bräuchte freilich auch und vor allem Achammers Partei. Oder ist der einstige Knochenjob SVP-Obmann nur mehr ein vernachlässigbares
Ämtchen?
Am Montag zeigte der SVP-Parteiausschuss, wie es so schön heißt, Geschlossenheit. Kein Protest, kein Granteln, dafür „bulgarische“ Zustimmung für die neue Regierung. Ich will das mal optimistisch als Ruhe vor dem Sturm interpretieren: Über Grundsätzliches reden wir später.
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