Leitartikel

Ein Viertel für die Hälfte

Aus ff 07 vom Donnerstag, den 14. Februar 2019

Zitat
© FF-Media
 

In der Landesregierung nimmt die Hälfte der Welt – die Frauen – nur ein Viertel des Platzes ein. Und es geht noch ärger, wie ihre – allesamt männlichen – Ressortdirektoren beweisen.

Pep Guardiola, ein berühmter Fußballtrainer, sagte, als er zu Bayern München ging: Thiago oder nix. Er wollte unbedingt den Ballkünstler Thiago Alcantara vom FC Barcelona holen. Und er bekam ihn.
Arno Kompatscher sagte, bevor er mit der Lega in Regierungsverhandlungen eintrat: Präambel oder nix. Und er bekam sie. Wer gegen die­se Grundsätze verstoße, die darin festgehalten sind, kündigte er im Interview mit ff an, werde zuerst verwarnt (gelbe Karte) und beim zweiten schweren Regelbruch des Platzes verwiesen (rote Karte).
In der Präambel zum Regierungsabkommen sind Selbstverständlichkeiten wie ein Diskriminierungsverbot für Minderheiten aller Art festgehalten.
Die Präambel, der Moralkodex für die neue Regierung, gilt natürlich auch für die sieben Landesräte der SVP und nicht nur für die zwei Landesräte der Lega.

Auf der ersten Seite der Regierungsvereinbarung findet sich also ein bemerkenswerter Satz: „Die Landesregierung setzt sich für eine tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau ein.“
Wenn Politiker Kritik an einem papierenen Programm abwehren wollen, sagen sie gerne: Man möge uns an unseren Taten messen. Es ist eine Phrase, die einen wahren Kern hat. Aber eben eine Phrase, wenn das Papier Papier bleibt.
Misst man die neue Landesregierung daran, wie ernst sie die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nimmt, müsste der Landeshauptmann sich selber und sein ganzes Team vom Platz stellen. Nur zwei Frauen in der Landesregierung – von neun Mitgliedern. In der Landesregierung nimmt die Hälfte der Welt nur ein Viertel des Platzes ein.
Geht es noch ärger? Es geht.
Schaut man sich eine Meldung in der letzten Ausgabe der ff (6/19, Seite 12) genauer an, findet man den Fehler schnell. Auf den Fotos zur Meldung: lauter Männer. Es sind die Ressortdirektoren, die Mächtigen nach den Landesräten – und manchmal die wirklich Mächtigen, weil sie durch ihr Wissen ihren Boss oder ihre Bossin lenken können.
Die acht Fotos ergeben ein Horrorbild. Nicht wegen der einzelnen Männer, bitte, meine Herren, nehmt es nicht persönlich, nein, wegen des Gesamtbildes, das sich ergibt. Die Landesregierung, heißt das, nimmt die Präambel in Regierungsabkommen nicht ernst. Und nicht nur die „böse“ Lega, sondern auch die SVP. Nur ein Beispiel, wo es leicht wäre, das Herrenbild zu verändern: In der Schule gibt es viele fähige Frauen, die das Amt einer Bildungsdirektorin übernehmen könnten.
War den Landesräten bei der Auswahl ihrer Vertrauten bewusst, was sich für Bild ergeben würde? Vielleicht nicht. Aber macht es das besser? Eher nicht. Denn es verweist auf ein grundlegendes Problem in dieser Gesellschaft. Sie billigt Frauen nicht die gleichen Rechte zu. Macht es das besser, wenn auch Frauen sich daran beteiligen, Frauen die Gleichberechtigung zu verwehren? Eher nicht.
Folgt jetzt ein Aufstand der Frauen? Eher nicht. Folgt ein Aufstand der Männer? Natürlich nicht. Auch wenn die Männer die Ersten wären, die nach Gleichberechtigung rufen würden, wäre es umgekehrt.
Was hilft also gegen die Ungleichberechtigung? Bewusstseinsbildung: Ja, aber es ist nicht genug, denn offensichtlich ist das Männersystem in Wirtschaft und Gesellschaft noch stabil genug, um zu verhindern, dass Frauen in Spitzenpositionen gelangen. Hinter dem soften Auftreten vieler Männer verbirgt sich das alte Patriarchat, es ist tief in das Unterbewusstsein eingedrungen. So, als hätte sich eine Nervenstruktur gebildet.
Also müssen sich die Frauen mehr wehren und ihre Rechte einfordern. Und die Männer durch Gesetze und Quote gezwungen werden, Macht abzugeben. Eine „tatsächliche Gleichberechtigung“ gibt es erst, wenn in der Landesregierung zur Hälfte Männer und Frauen vertreten und Ressortdirektionen zur Hälfte männlich und zur Hälfte weiblich sind.
Man möge die Landesregierung an ihren Taten messen. 

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