Leitartikel

Die SVP und die Mussolini-Versteher

Aus ff 12 vom Donnerstag, den 21. März 2019

Zitat
© FF-Media
 

Antonio Tajani, Verbündeter der SVP für die Europawahlen, verharmlost den Faschismus. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Außer blanken Opportunismus.

Der Partner der Südtiroler Volkspartei für die Europawahlen glaubt, dass Mussolini Gutes getan hat. Die Autobahnen und so. Herbert Dorfmann, Europa-Parlamentarier der SVP, will sich auf dem Zug von Forza Italia nach Brüssel ziehen lassen – mit Leuten wie Silvio Berlusconi und
Antonio Tajani, dem jetzigen Präsidenten des Parlaments.
Silvio Berlusconi hat schon immer Gutes an Mussolini und dem italienischen Faschismus gefunden. Antonio Tajani, auch er ein älterer weiser Mann mit besonderen Vorstellungen und besonderem Gehabe, sagte vergangene Woche bei einem Radiointerview: „Mussolini war sicher kein Meister der Demokratie, doch einige Dinge wurden gemacht. Wir wären unehrlich, wenn wir sagen würden, nein, er hat nichts gemacht. Hat er Straßen gebaut? Ja. Hat er Infrastrukturen errichtet? Ja. Hat er Sportanlagen gebaut? Ja. Warum sollte man das leugnen?“
Die SVP hätte wissen können, dass für viele italienische Rechte, Tajani eingeschlossen, Mussolini ein guter Mann war, ein Diktator, ein Kriegstreiber, ein glühender Rassist, der in Abessinien mit aller Härte einen Kolonialkrieg führte. Aber hey, was soll’s, er hat ja Sümpfe trockengelegt und Arbeitsplätze geschaffen!
So etwas über Hitler zu sagen, getrauen sich in Deutschland nur die harten Rechtsextremen, auch wenn für AFD-Chef Alexander Gauland der Nationalsozialismus nur ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte war. Aber freilich: Wurde nicht auch in Südtirol der „Führer“ bis weit in die Gegenwart herauf entschuldigt, weil er Autobahnen gebaut, angeblich die Arbeitslosigkeit besiegt und dann auch noch am 8. September Südtirol „befreit“ hatte, als die deutsche Wehrmacht Italien besetzte.
Berlusconi, mehrfach vorbestraft, und Antonio Tajani, der Mussolini-Versteher, sind die Verbündeten der Südtiroler Volkspartei für die Europawahlen. Im Land die rassistische Lega. In Europa Forza Italia, deren Spitzenexponenten den Faschismus verklären und verharmlosen. Wenn in der Europäischen Volkspartei Platz für Antonio Tajani ist, warum soll da kein Platz für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor
Orbán sein?

Anderswo müsste ein Volksparteiler, der ­einen Diktator einen guten Mann sein lässt, auf der Stelle zurücktreten. Tajani hat sich halbherzig entschuldigt. Falsch verstanden, nicht so gemeint. Was man halt so sagt in solchen Fällen. Alles gut also? Nichts ist gut. Wie will die Südtiroler Volkspartei, wie will SVP-Obmann Philipp Achammer das Bündnis mit einem Mann rechtfertigen, der Mussolini rechtfertigt? Dem Duce, der ab 1923 danach trachtete, die deutsche Minderheit in Südtirol kulturell zu vernichten und die Menschen zur Option zwang?
Es gibt keine Rechtfertigung, außer blanken Opportunismus.
Die Rechte in Italien hat kein Problem, sich mit alten und neuen Faschisten gemein zu machen. Forza Italia, Lega, Fratelli d’Italia. Die von Casa Pound dürfen sich unbeschadet als „Faschisten des dritten Jahrtausends“ rühmen und in Rom ein Haus besetzt halten. Ihre Stimmen sammeln alle gerne ein, man trifft sich mehr oder weniger offen. Erst seit Lega-Chef Matteo Salvini an der Macht ist, hält er sich offiziell von diesen Kerlen fern.
Ein bisschen Zeitungslektüre hätte geholfen, um zu wissen, dass die italienische Rechte ein zwiespältiges Verhältnis zu Mussolini pflegt, dass es in der Lega eine Sehnsucht nach einem starken Mann gibt, nach einem Führer – es sind keine einfachen Zeiten für die liberale Demokratie, der sich auch die SVP laut Programm verschrieben hat.
Die SVP hat sich ohne Not selber in diese Lage gebracht. Es hätte eine Alternative für die Landesregierung (Grüne und PD) und damit auch für die Europawahlen gegeben (PD). Man hätte eine Koalition mit Leuten verhindern können, die Grundrechte mit Füßen treten oder den Faschismus verklären.
Wer die Heimat schützen will, muss sie gegen solche Leute verteidigen. Auch wenn es etwas kostet. 

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