Leitartikel

Die Sprache der Gesundheit

Aus ff 19 vom Donnerstag, den 09. Mai 2019

Zitat
© FF-Media
 

Müssen Ärzte beide Landessprachen beherrschen? Ja, sie müssen! Denn zu oft ­gehen Patienten nach Hause und haben nicht verstanden, wie es um ihre Gesundheit steht.

Es kommt vor, dass ein älterer Mensch aus dem Krankenhaus in Bozen hinausgeht und nicht weiß, was er hat. Denn er hält einen Befund in der Hand, den er nicht versteht. Einen ärztlichen Befund zu verstehen, ist schwer. Auch in der eigenen Sprache, schon gar in der anderen Landessprache. Wer kennt schon all die Fachbegriffe, die Ärzte nach ihren Untersuchungen anführen (müssen)? Dazu müsste jemand schon ein halbes Medizinstudium hinter sich gebracht haben.
Dass Ärzte oft nicht ausführlich oder geduldig genug mit ihren Patienten reden, sich schwertun, ihnen ihren Zustand zu erklären, ist ein Faktum. Und ein Problem. Ein Patient, der aufgeklärt sein will, muss schon den Mut haben nachzubohren. Und wer hat schon den Mut, einem Weißkittel selbstbewusst entgegenzutreten? Haben Ärzte keine Zeit aufzuklären, oder haben sie es nicht gelernt? Oder gar beides?
Dass ein Arzt einen Patienten versteht, ist ­unerlässlich für eine richtige Behandlung und eine umfassende Information. Und umgekehrt ebenso. Will das jemand ernsthaft bestreiten?
Die Sprachkenntnisse der Ärzte in Südtirol sind dennoch ein Thema. Ein chronischer Fall, wenn Ärzte nicht imstande sind, mit Patienten in deren Sprache zu reden, wenn zum Beispiel deutschsprachige Patienten mit einem Befund entlassen werden, der einsprachig gehalten ist, meistens auf Italienisch. Fragt man einen Arzt, ob er das Gespräch auf Deutsch führen will, erntet man nicht selten einen gequälten Gesichtsausdruck. Viele freilich, das muss man anerkennen, können es oder bemühen sich.
Und die Sprachkenntnisse der Ärzte in Süd-
tirol sind ein akuter Fall. Das Gesundheitsministerium kontrolliert ­beziehungsweise lässt die Carabinieri kontrollieren, ob in der Südtiroler Ärztekammer Ärzte eingeschrieben sind, ohne Italienischkenntnisse nachzuweisen.
Auf die Spur gebracht hat das Ministerium
Florian Zerzer, Generaldirektor der Sanität, höchstpersönlich in einer Aussprache im Ministerium, die in einem Eklat endete. Zerzer wollte vom Ministerium die Zusage, dass die Sanitätseinheit Pflegepersonal ohne die nötigen Sprachkenntnisse einstellen darf. In die Ärztekammer seien ja auch Ärzte eingeschrieben, die kein Italienisch sprächen, argumentierte er. Auweia, hätte er das bloß nie gesagt!
Die Südtiroler Sanität ist eine Baustelle; zu wenig Personal, zu wenig digital, zu lange Wartezeiten. Und sie hat einen Generaldirektor, der nicht immer eine glückliche Figur abgibt.

Es ist natürlich ein Unterschied, ob ein Arzt in Prettau arbeitet oder in Bozen. Aber grundsätzlich ist es die Pflicht eines Arztes, beide Landessprachen zu beherrschen oder sie zu erlernen, eher früher als später, und es ist das Recht des Patienten (im Autonomiestatut verbrieft), seine eigene Sprache zu verwenden. Vor Gericht, im Krankenhaus, bei der Polizei. Das zu garantieren, ist Aufgabe der Landesregierung und der Leitung der Sanität. Aber muss man gleich die ­Carabinieri schicken, um Ärzte aufzuspüren, die kein oder kaum Italienisch sprechen? Denn dann müssten die Carabinieri auch nach den Ärzten fahnden, die kaum oder kein Deutsch sprechen.
Wenn es um Sprachen geht, wird es in Südtirol schnell prinzipiell. Sprache dient dazu, Stimmung zu machen. Politiker wie Sven Knoll, Landtagsabgeordneter der Südtiroler Freiheit, warten nur auf eine passende Gelegenheit. Man sollte nicht in diese Fundamentalismusfalle tappen.
De facto wird der Proporz im Gesundheitswesen ausgehebelt. Durch den Personalmangel. Altersheime würden freilich ohne ausländisches Pflegepersonal nicht mehr funktionieren. Da gilt es, pragmatisch zu sein, mehr als Sprache zählt die Zuwendung zu den Menschen. Doch von einem Arzt, der nach Südtirol kommt, sollte man verlangen können, dass er, eher früher als später, Deutsch oder Italienisch spricht.
Sprachliche Missverständnisse können schwerwiegende Folgen haben, vor allem, wenn es um die Gesundheit geht. 

Leserkommentare

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.