Leitartikel

Corona-Turbulenzen

Aus ff 23 vom Donnerstag, den 04. Juni 2020

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Die Debatte um die Gratistests für Touristen wirkt, gelinde gesagt, befremdlich. Und offenbart ein problematisches Festhalten am „Weiter so um jeden Preis!“.

Es gibt viele Dinge, die in dieser Krise bemerkenswert anstrengend geworden sind, ein Einkauf im Supermarkt etwa. Und es gibt Dinge, die in dieser Krise bemerkenswert einfach geworden sind. Einen Sitzplatz im Zug zu bekommen. Schlicht bemerkenswert ist hingegen die derzeitige politische Debatte über die Coronatests für Touristen. Diese sorgt für Kopfschütteln und Sprachlosigkeit. Und für die Erkenntnis: Es wird nun wieder gepoltert in der Politik.

Das übermütige Triumph-Gehabe und oft kleinkarierte Hickhack war schon in den normalen Zeiten der Vergangenheit oft nicht unbedingt schön zu verfolgen. Jetzt, in der größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise seit 1945 wirkt derlei umso befremdlicher.

Worum geht es? Landeshauptmann Arno Kompatscher sagte gegenüber dem Radiosender Rai 1 vergangenen Dienstag, dass Südtirol künftig Touristen Gratis-Coronatests anbieten wolle. Quasi als zusätzlicher Service – es werde hier eine Zusammenarbeit mit den Hotels geben. Das hat für Schlagzeilen gesorgt, lokal, national und auch im deutschsprachigen Ausland. Die Richtigstellung ließ nicht lange auf sich warten: Es handle sich nicht um Gratistests, auch nicht um PCR-Tests, sondern um Schnelltests.

Die Opposition ist sich einig und spart nicht mit Kritik – sinngemäß: Für Touristen sich ins Zeug legen, aber die Einheimischen in die Warteschleife setzen? Der Landeshauptmann reagiert auf harsche und trockene, für ihn eher ungewohnte Weise: Bezüglich der Kritik des Team K beispielsweise sagt er im Interview mit der Neuen -Südtiroler Tageszeitung: „Das Team K zeichnet sich schon lange dadurch aus, auf Basis von Falschmeldungen Neid und Missgunst in der Bevölkerung zu schüren.“

Wäre das Thema nicht so ernst und wichtig, würde man über die Debatte schmunzeln. Ja, vielleicht hätte man sich in Vor-Corona-Zeiten amüsiert über derlei pseudopolitische Schattengefechte. Jetzt aber bleibt nur ein fahler, bitterer Nachgeschmack.

Damit kein Missverständnis entsteht: Tourismus ist für Südtirol existenziell wichtig, für die Wirtschaft eine der wichtigsten Branchen. Schließlich hängen viele Arbeitsplätze daran.
Die Zahlen sprechen für sich: 2018/19 waren es 33,6 Millionen Nächtigungen. Allein im vergangenen Dezember gab es laut Statistikinstitut Astat ein Nächtigungsplus von 6,5 Prozent, im Februar 19,7 Prozent! Es verwundert also nicht, dass man es den Touristen jetzt, in Zeiten von Corona, besonders schmackhaft machen will, wieder in Südtirol zu urlauben. Mit dieser Testgeschichte aber übertreibt man es. Unterstützung des Landes für diese Branche – ja. Aber bitte in Relation zu anderen Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten in diesem Land.

Testen bringt Klarheit. Je früher man das Virus erkennt, desto besser kann man es bekämpfen. Das gilt seit Beginn der Krise. Dass sich nicht jeder, der es wünscht, auf öffentliche Kosten testen lassen kann, ist klar. Aber eine Verordnung mit konkreten Vorgaben, wer wann und wie oft getestet werden soll, wäre ein guter Ansatz gewesen. Die infrage kommenden Personen sind sowieso eingegrenzt: Kontaktpersonen von Infizierten, Mitarbeiter in Krankenhäusern, Senioren- und Pflegeheimen, Lebensmittelgeschäften oder bei den Sicherheitskräften. Also jene Menschen, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen seit Monaten Enormes leisten. Auch die Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen, die zurzeit den „Notdienst“ verrichten müssen, sollten getestet werden. Bis heute weiß zum Beispiel keiner, wie viele Mediziner oder Pflegekräfte sich wirklich mit dem Coronavirus angesteckt haben. Das ist tragisch genug.

In der Frühphase dieser Krise gab es für sie, ebenso wie für all die anderen Heldinnen und Helden, die den Laden am Laufen halten, viel Symbolik: Balkonapplaus, Solidaritäts-Tweets, öffentliche Dankesbekundungen. Ein Coronatest für diese Berufsgruppen wäre zum Beispiel eine Form der Würdigung. Jedoch bislang sind dem Applaus kaum konkrete Taten gefolgt.

Das Echo der Debatte um die Tests für Touristen klingt da wie Hohn. Und dass ausgerechnet die Politik noch vor der Gesellschaft als Erste in wenig vorteilhafte Verhaltensmuster zurückfällt, ist eine Enttäuschung.

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