Leitartikel

Der Flughafen: ein Lehrstück

Aus ff 39 vom Donnerstag, den 24. September 2020

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Der Flughafen in Bozen wird ausgebaut – trotz berechtigter Einwände. Die Politik hat dort nichts mehr zu sagen. So verspielt sie leichtfertig das Vertrauen der Menschen.

Der Bozner Flughafen kann viel über Südtirol erzählen. Es ist eine Geschichte über die Hilflosigkeit der Politik, über die wahren Machtverhältnisse, über den Umgang mit den Bürgern, über den Nutzen von Volksabstimmungen.

Der Flughafen, der jetzt einer privaten Gesellschaft gehört, erzählt, wie Demokratie funktioniert, oder besser: nicht funktioniert, und wie eine kleine Elite, seltsamerweise entgegen dem Profitdenken, das sonst in der Wirtschaft herrscht, die Politik bestimmt und die Bürgerinnen und Bürger übergeht. Die Mehrheit der Menschen, das ist eindeutig, will in Bozen keinen Flughafen.

Jetzt wird am Bozner Flughafen auf Teufel komm raus gebaut. Allen rechtlichen Bedenken, allen Eingaben beim Rechnungshof, allen politischen Einwänden und Entscheidungen zum Trotz (siehe eigenen Artikel auf Seite 30).

Wie kann das sein? Warum haben Bevölkerung und Politik bei einem Projekt, das auf das Leben von vielen Menschen einwirkt, nichts mehr zu sagen?

Die Flughafengesellschaft ABD gehört jetzt den Brüdern Josef, Thomas und Ernst Gostner, einigen der reichsten Südtiroler; dem Immobilien-
Mogul René Benko und Hans Peter Haselsteiner, Mitbesitzer des Bauriesen Strabag. Alles Männer, die über viel Geld verfügen. Und die sich mit Geld Macht und Einfluss in der Gesellschaft und in der Politik zu verschaffen wissen. Ihnen etwas entgegenzusetzen, dazu braucht es viel Rückgrat.

Der Bozner Flughafen, das ist eine lange Geschichte. Er wurde 1926 als Militärflughafen errichtet, in den Dreißigerjahren gab es sogar Flugverbindungen nach München oder Mailand. Danach war lange nichts mehr, außer Hobby- und Segelfliegerei und die Hubschrauber des Militärs.

1999 kamen wieder die ersten Linienflüge, die Fluggesellschaften wechselten einander ab – mit mageren Ergebnissen. Das Land gab viel Geld für Ausbau, Erhalt und Unterstützung der diversen Fluglinien aus: rund 100 Millionen Euro in den Jahren 1997 bis 2013. Vor der Pandemie hoben nur ein paar Charterflüge im Sommer von Bozen nach Sardinien oder Kalabrien ab.

2016 stoppte die Bevölkerung den Entwicklungsplan des Landes für den Flughafen per Volksentscheid: 70,6 Prozent Nein. Das Land verkaufte an Gostner, Benko und Haselsteiner: für die bescheidene Summe von 3,8 Millionen Euro. Es gibt berechtige Zweifel daran, ob diese Summe dem wahren Wert des Flughafens entspricht.

Es gäbe gute Gründe, in Bozen einen Flughafen zu betreiben. Den Willen der Bevölkerung. Die Wirtschaftlichkeit. Die bessere Erreichbarkeit. Die Notwendigkeit, mehr Touristen anzuziehen. Sind diese Gründe auch stichhaltig? Nein. Die Bevölkerung: dagegen. Die ABD: bisher unwirtschaftlich. Erreichbarkeit: die Flughäfen Verona und Innsbruck in anderthalb Stunden Entfernung. Und sogar die Tourismuswirtschaft hat erkannt, dass Südtirol nicht noch mehr Touristen braucht, wenn wir die Coronakrise einmal außer Acht lassen.

Warum wird also dennoch am Flughafen gebaut – ohne Rücksicht zu nehmen auf die Einwände der Politik und der Anrainer (betroffen sind das Unterland, die Städte Bozen und Leifers, die Großgemeinde Eppan – um die 150.000 Menschen)?

Er wird ausgebaut, weil die Landesregierung und die Südtiroler Volkspartei freiwillig auf jede Mitsprache verzichten, den Willen des Volkes miss-achtend, weil sie dem Druck der Wirtschaft nachgegeben haben – selbst gegen massiven Widerstand aus der eigenen Partei.

Jetzt kann die Landesregierung bei den Flughafenbetreibern nur mehr als Bittsteller auftreten. Wehrt sich eine Gemeinde, wie etwas Leifers, gegen den Ausbau, treten umgehend die Anwälte der ABD auf den Plan und drohen mit Schadenersatzforderungen. Das hat schon beim Benko-Kaufhaus in Bozen geholfen. Die Politik wollte den Flughafen einfach nur loswerden. Und wäscht sich jetzt die Hände in Unschuld. Der Flughafen ist ein Lehrstück: Es zeigt, warum Politik das Vertrauen der Menschen verspielt hat.

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