Der Schuldirektor würde gerne nach Kuba reisen und kann Marmeladen zubereiten.
Leitartikel
Es braucht klare Worte
Aus ff 45 vom Donnerstag, den 05. November 2020
Eine Verordnung jagt die andere – die Landesregierung wirkt überfordert. Ihre Kommunikation ist chaotisch. Das muss sich dringend ändern.
Wir steuern auf einen bitterkalten Winter zu. So viel steht fest. Und alle sind betroffen: die Menschen, die Unternehmen, die Hotels, die Universitäten, die Schulen, die Kindergärten.
In welchem Ausmaß die einzelnen Bereiche in Mitleidenschaft gezogen werden, das wissen wir nicht. Denn die Infektionsketten sind schon lange nicht mehr nachvollziehbar.
Und ich frage mich: Musste es so weit kommen? War es unvermeidlich? Oder hat unsere Landesregierung versagt?
Sicher ist, dass sie bisher nicht deutlich kommuniziert hat, was sie vorhat und was sie will. Sie hätte vor allem zu jenen sprechen sollen, die immer noch der Überzeugung sind, dass das Virus nur im öffentlichen Raum grassiert. Nur dort, wo kontrolliert wird. Aber was nützt das Herunterfahren der Wirtschaft, solange wir im privaten Umfeld alles zulassen, was draußen verboten ist; solange wir uns schämen, bei Freunden und Verwandten Maske zu tragen, da wir ja nicht wissen können, ob wir asymptomatisch infiziert sind.
Im privaten Raum darf nicht kontrolliert werden. Und das ist auch gut so. Umso mehr brauchen wir klare Worte. Politiker müssen Kante zeigen und selbstbewusst sprechen, dürfen keine Fragen offen lassen. Es braucht eine einfache, direkte Sprache, um die Komplexität rund um SARS-CoV-2 auf den Punkt zu bringen. Es braucht wenige und umso deutlichere Vorgaben. Kein Vor und Zurück, sondern ein Geradeaus. Ansagen, von denen sich jeder Einzelne angesprochen fühlt.
Warum hat der Landeshauptmann nicht unmissverständlich gesagt: Maske auf, wenn meine Tante zu Besuch kommt! Maske auf, wenn ich meine Großeltern besuche! Maske auf, wenn ich meine besten Freunde treffe!
Nur so bekommen wir die Pandemie unter Kontrolle. Nur so schaffen wir es, auch weiterhin unsere Familien und Freunde zu sehen. Nur so gehen wir sozial nicht zugrunde. Und nur so dürfen wir von einer Wintersaison träumen.
Ob es eine solche überhaupt geben wird, hängt vom Infektionsgeschehen der nächsten Wochen ab. Ohne Zweifel, wir brauchen den Tourismus: Ob Handwerker, Bauunternehmen, Einzelhandelsgeschäfte oder Landwirte – ganze Branchen leben davon.
Wir brauchen aber auch den Mut, den Willen und die Kreativität dieser Branche. Wir brauchen die klugen Köpfe, die für uns – auch in Zeiten der Pandemie – an einem sanften Tourismus der Zukunft arbeiten. Ohne Bustouristen und überfüllte Christkindlmärkte, dafür mit einer Maut auf den Passstraßen und einer Qualität auf Spitzenniveau, im Großen wie im Kleinen.
Die Pandemie richtet immensen Schaden an, nicht nur im Tourismus. Bleiben die Geschäfte auch nach dem 22. November geschlossen, droht vielen das endgültige Aus. Das Weihnachtsgeschäft sollte für viele heimische Kleinbetriebe nach den starken Umsatzeinbußen im Frühjahr ein letzter Rettungsanker sein. Unternehmen vieler Branchen werden nun massiv die Lohnausgleichskasse in Anspruch nehmen müssen. Womöglich noch stärker als im Frühjahr. Und wird der Kündigungsschutz im März nicht noch einmal verlängert, wird auch eine Entlassungswelle nicht ausbleiben.
Und was machen wir? Wir streiten uns über den Sinn der Verordnungen! Die einen stimmen zu, die anderen protestieren. In Südtirol herrscht eine Klima der Angst und der Wut. Angst um die eigene Gesundheit, um den Arbeitsplatz; Wut über die gefühlte Unverhältnismäßigkeit und Ungerechtigkeit der Maßnahmen.
Der Landeshauptmann muss sich dem entgegenstellen. Seit er, sichtlich angespannt, am Montag mit Gesundheitslandesrat Thomas Widmann vor die Presse trat, muss er einen Shitstorm über sich ergehen lassen. Landeshauptmann Kompatscher weiß um den Ernst der Lage, epidemiologisch wie auch gesellschaftlich.
Doch dieses Wissen allein reicht nicht. Auch wenn ihm Widerstand entgegenschlägt: Er muss das Land jetzt mit klaren Worten durch die Pandemie führen.
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