Leitartikel

Jetzt aber dalli

Aus ff 49 vom Donnerstag, den 03. Dezember 2020

Zitat
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Ein Weihnachten auf den Skiern – 2020 undenkbar. Seit Monaten fehlt der politische Mut dieser klaren Ansage. Eine Katastrophe für alle Touristiker. Geben wir ihnen ein Datum und lassen wir sie kreativ sein.

Am 21. April hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder das Münchner Oktoberfest abgesagt. Sechs Monate vor dem gewohnten „O’zapft is“ im September. Es war ein herber Schlag für Bayerns Tourismus, bedeutete Millionenverluste für all die Brauereien. Aber die Betroffenen konnten sich einstellen. Es gab eine klare Ansage.

Ganz anders ergeht es unseren Wintersportgebieten. Erst eine Woche vor dem gewohnten Saisonbeginn wird über eine europaweite Schließung der Skigebiete diskutiert. Später geht’s kaum. Wer vom Wintertourismus lebt, erlebt gerade eine nie dagewesene Lethargie. Liftbetreiber, Hoteliers und Hüttenwirte fahren auf Sicht. Notgedrungen. Es kursieren viele Termine um wenig Gäste. Die Politik bedient sich einer Salamitaktik, die Planung unmöglich macht. Und ich frage mich, warum hatte im Spätsommer – als wir bereits von der anrollenden zweiten Welle wussten – niemand den Mut, den Wintertouristikern reinen Wein einzuschenken? Sie auf das Schlimmste vorzubereiten und klar zu sagen: Ein Weihnachten auf den Skiern – 2020 undenkbar.

Jetzt ist die Panik groß. Ein Skigebiet, eine Almhütte oder ein Hotel kann man nicht von heute auf morgen aufsperren. Wer im Tourismus arbeitet, weiß: Es braucht gute und lange Vorbereitung. Personal muss gefunden und eingelernt, Abläufe müssen durchgespielt und getaktet werden. Kurzum: Man muss sich organisieren. Erst recht in Zeiten von Corona. Soll Südtirols Wintertourismus diese Saison überleben, dann braucht es endlich einen klaren und für alle nachvollziehbaren Eröffnungstermin. Nur das schafft – trotz der zu erwartenden Umsatzeinbußen – eine Perspektive. Ich bin mir sicher: Die Touristiker wollen und werden ein Maximum an Sicherheit garantieren. Spricht man sie darauf an, so sprudeln ihre Ideen. Sie reichen von Antigentestzentren über Desinfektionsmöglichkeiten in Kabinenbahnen, Maskenpflicht auf dem Skilift bis hin zu Take-away-Angeboten auf der Piste.

Geben wir ihnen ein Datum und lassen wir sie kreativ sein. Nicht nur was das Überleben in den kommenden Monaten betrifft. Entwickeln wir jetzt eine für alle tragbare Strategie für die Zukunft.

Schneemangel und Klimawandel fordert die Branche ja seit Jahren heraus. Nutzen wir diese ruhige Phase und drehen wir an den Schrauben des Wintertourismus.

Ich bin kein Fan des Begriffs „sanfter Tourismus“. Die beiden Worte sind so inflationär wie das Wort Nachhaltigkeit. Ich bin aber für ein Weiterdenken. Mit welchen Aktivitäten – abseits des klassischen Skifahrens – können wir unsere Gäste künftig für unser Land gewinnen? Wie können wir Massenansammlungen bei Aufstiegsanlagen und in den Hütten vermeiden, aber trotzdem das wirtschaftliche Überleben ganzer Branchen sichern? Möglichkeiten gibt es viele, die Liste ist lang: Skitouren, Langlaufen, Rodeln, Schneeschuhwandern, Speedhiking und anderes mehr.

Und das Beste: Wir müssen nichts neu erfinden. Wir müssen die vielen Aktivitäten nur clever bewerben und verkaufen. Nicht als Alternative zum Skifahren, sondern als Zusatzangebot. Nicht allein, sondern parallel. Südtirol-Urlauber lieben unsere Landschaft. Werden wir also kreativ und lassen wir unsere Natur etwas gelten.

Ein Akzent könnte eine Gebühr für sogenannte Pisten-Tourengeher sein. Also für Schmarotzer, wie ich es bin. Ich plage mich lieber mit den Fellen als mit dem Lift nach oben, genieße dann aber die Abfahrt auf einer perfekt präparierten Piste. Das darf künftig ruhig was kosten. Dafür leiste ich gerne meinen Beitrag.

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