Leitartikel

Frauen und Geld

Aus ff 17 vom Donnerstag, den 29. April 2021

Leitartikel 17/21
Wunder geschehen nicht einfach. Man muss sie auch ein wenig erzwingen. © FF Media
 

Auch wenn viele es nicht mehr hören können: Man kann nicht so tun, als gäbe es das ­Problem „Gender Pay Gap“ nicht. Denn er beschreibt einen Skandal.

Kein Arbeitgeber würde zugeben, dass er Frauen benachteiligt. Und jeder Vorgesetzte würde wohl behaupten: Für gleichwertige Arbeit gibt es gleiches Geld, na klar! Aber leider stimmt das nicht. Frauen bekommen in Südtirol für die gleiche Tätigkeit im gleichen zeitlichen Umfang im Durchschnitt 17 Prozent weniger Lohn als Männer.

Der sogenannte „Gender Pay Gap“, also das geschlechtsspezifische Lohngefälle, ist in Südtirol seit Jahren stabil. Veröffentlicht wird diese Zahl zum „Equal Pay Day“, dem Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus rechnerisch weiterarbeiten müssen, um mit dem Jahreseinkommen der Männer gleichzuziehen. Vergangenen Freitag war es wieder so weit – 113 Tage nach Beginn des Jahres, so viele Tage mehr mussten Frauen 2020 arbeiten, bis sie gleich viel verdienten wie die Männer.

Was anschließend geschieht, ist ein altbekanntes Ritual: Politikerinnen, Gewerkschafterinnen und Frauenrechtlerinnen empören sich, ein paar Männer nicken verständnisvoll und geben vor, Frauen gerechter bezahlen zu wollen. Und dann passiert wieder: nichts. Der „Gender Pay Gap“ bleibt bei 17 Prozent.

Selbst schuld seien sie, die Mädels und Damen, heißt es dann gerne. Zuerst studieren sie das Falsche, dann bekommen sie Kinder, verpassen oder verschieben dadurch Karrieresprünge, sie gehen nach dem ersten Kind sofort auf Teilzeit, sie leisten weniger und verhandeln schlechter.

Dies mag einiges erklären, aber eben nicht alles.

Es erklärt nicht, warum die Lücke zwischen Männer- und Frauengehältern auch dann um die 17 Prozent beträgt, wenn identische Vollzeit-Tätigkeiten verglichen werden. Oder warum zum Beispiel leitende männliche Führungskräfte im Privatsektor 20,9 Prozent mehr verdienen als leitende weibliche Führungskräfte.

Unternehmen, Politiker, Eltern, Gewerkschafter und die Frauen selbst – alle können etwas tun, um von den 17 Prozent herunterzukommen. Zum Beispiel: Volle Lohntransparenz, damit Frauen wissen, was die Kollegen verdienen und ihnen womöglich vorenthalten wird. Aufstiegschancen für Frauen und familiengerechte Arbeitszeitmodelle. Stärkeres Engagement bei Tariferhöhungen in Frauenberufen. Eine flächendeckende Kinderbetreuung, vor allem in ländlichen Gebieten.

„Equal Pay“ ist nicht nur eine Frage der Gerechtig-keit, sondern auch eine Frage der Haltung. Es muss eine offene Debatte geben, was Arbeit wert sein sollte. Viele Frauen müssen lernen, dass Geld auch die Währung der Wertschätzung ist.

Dass vieles möglich ist, zeigen die vergangenen Jahre. Da haben Frauen verschiedener Länder durchaus Erfolge im Kampf um gleiche Bezahlung erzielt. Französischen Firmen drohen beispielsweise seit zwei Jahren Strafen, wenn sie ihre Lohnlücken nicht schließen. Ähnlich in Island, wo seit 2018 die grundlose Schlechterbezahlung von Frauen unter Strafe steht. In der Schweiz müssen die größten Unternehmen seit vergangenem Juli ihre Löhne auf Diskriminierung kontrollieren und ihre Angestellten über die Analyse informieren.

Wunder geschehen nicht einfach. Man muss sie auch ein wenig erzwingen. Das müssten die Frauen beherzigen. Für das Weiterkommen sind vor allem die Frauen selbst verantwortlich. Arbeitnehmerinnen müssen sich wehren, wenn sie eine transparente Lohnstruktur wollen. Das kann schon mal zu Ärger führen, da kann den Frauen der Wind etwas kälter entgegenwehen. Aber Veränderung ohne Widerstand gibt es nicht.

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