Leitartikel

Kultur ist Treibstoff

Aus ff 19 vom Donnerstag, den 13. Mai 2021

Zitat
 

Was die Kulturschaffenden treiben, wird gerne unterschätzt. Kultur bringt Geld und ist ein Motor für das Denken. Doch das ist bedroht, wenn die Politik blind kürzt. Und wenn die Kulturleute sich mit dem Gegebenen abfinden.

Vergangene Woche ins Kino oder ins Theater zu gehen, war mehr als Genuss von Kultur. Es war ein Schritt in die Freiheit. Es war trotz Masketragen und Abstandhalten ein gutes Gefühl. Live statt online – gerade das Theater lebt von der Energie, die zwischen Bühne und Zuschauerraum entsteht. Im Netz verpufft die Magie von Kunst und Kultur.

Jetzt geht es im Südtiroler Kulturbetrieb geradezu hektisch zu. Was fast ein Jahr lang eingefroren war, wird schnell aufgetaut, im Theater etwa schlägt die Stunde der Südtiroler Schauspielkunst. Die hiesigen Schauspielerinnen und Schauspieler treten jetzt solo vor das Publikum (hoffentlich wird es jetzt nicht zu patriotisch).

Es hat wieder etwas begonnen, was wichtig ist, was der Treibstoff sein kann für eine Gesellschaft, für die Auseinandersetzung mit Themen, die die Menschen umtreiben – ff berichtet in diesem Heft darüber. Kultur ist genauso wichtig wie die Wirtschaft, wie Tourismus und Gastronomie. Auch wenn deren Vertreter viel lauter sind. Die Kulturschaffenden sind im Vergleich dazu eher leise – sie haben vielleicht selber noch nicht verstanden, dass sie eine Macht wären, würden sie geschlossen auftreten. Täten sie das jetzt, hätte Covid-19 auch etwas Gutes gehabt.

Gefördert werden auch sie, mit einem Hilfspaket von neun Millionen Euro. 5.000 Euro gibt es für Kulturschaffende, wenn sie freiberuflich tätig sind. Ist das viel oder wenig, wenn man bedenkt, dass Kultur auch ein Wirtschaftszweig ist? Wie viel sie in Südtirol an Mehrwert schafft, weiß niemand. Es bräuchte dringend eine Studie dazu. Es ist jedenfalls mehr, als viele Politiker vermuten.

Es ist nun so, dass die Politik mit der einen Hand nimmt, was sie mit der anderen gibt. Im schlimmsten Fall betragen die Kürzungen im Kulturbudget am Jahresende 30, im besten Fall um die 20 Prozent. Da können die drei Landesräte für Kultur noch so oft beteuern, wie sehr sie hinter den Kulturschaffenden stehen. Es ist wie Fußball: Wenn die Vereinsbosse hinter dem Trainer stehen, können sie ihm nicht mehr in die Augen schauen und ihm die Wahrheit ins Gesicht sagen. Über Kürzungen und wer davon betroffen ist, herrscht naturgemäß Schweigen.

Gerade wer schon wenig hat, spürt, wenn er noch weniger bekommt – und in Südtirol ist die Kulturförderung nicht gerade üppig. Da geht es schnell ans Eingemachte, wird nicht nur an den Inhalten gespart, sondern auch am Personal. Und die mageren Gagen werden noch magerer. Deshalb sollten die Kulturschaffenden sich jetzt nicht mit Hilfspaketen zufrieden geben, sondern selbstbewusst auftreten, um scharfe Einschnitte in ihr Budget zu verhindern. Wer jetzt nicht kulturpolitisch tätig wird, wird es womöglich nie mehr werden.

Die Politik kann jetzt beweisen, was ihr Kultur wirklich wert ist. Und wie weitsichtig sie ist. Unsinnig ist zum Beispiel die Aussetzung der Filmförderung, die erwiesenermaßen Geld ins Land bringt. Wenig sinnvoll sind auch Förderungen wie für das Musikfestival „Brixen Classics“ – nichts anderes als eine Begünstigung des Mittelmaßes. Warum sind Tourismustreibende eigentlich nicht imstande, ein solches Festival privat zu finanzieren, wenn es schon so hochkarätig ist?

Freilich, umgekehrt, liegt es auch an den Kulturschaffenden im Land, den Wert der Kultur zu unterstreichen. Indem sie sich nicht selbstzufrieden zurücklehnen. In der Meinung: Wir brauchen uns mit niemandem zu vergleichen, in der Provinz sind wir sowieso die größten. Wir brauchen nicht auch noch einen Kulturpatriotismus, der abwehrt, was von außen kommt, jeden Vergleich scheut.

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