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Leitartikel
Die Autonomie der Unternehmer
Aus ff 02 vom Donnerstag, den 13. Januar 2022
Teure und knappe Rohstoffe gefährden den Aufschwung der (Südtiroler) Wirtschaft. Jetzt ist die Gelegenheit, sich von China & Co unabhängiger zu machen. Holt die Produktion zurück!
Viele Südtiroler Unternehmen leiden im Überfluss an Mangelerscheinungen. Vor der Pandemie konnten sie auf der ganzen Welt einkaufen. Rohstoffe und Transport waren billig.
Jetzt sind Rohstoffe teuer geworden. Etwa Stahl und andere Metalle, Holz – oder Mikrochips: jene winzigen Elektronikbausteine, ohne die kein Kühlschrank, kein Fernseher, kein Smartphone, kein Computer mehr funktioniert. Die Miete für einen Schiffscontainer kostet jetzt 10.000 statt 2.000 Euro.
Woher kommt die Schaltung für ein E-Bike? Aus Asien. Oder die Mikrochips für den Elektromotor von Fiat, der in Südtirol zusammengebaut wird? Aus Asien. Wenn sie nicht kommen, können Südtirols Radhändler keine E-Bikes mehr verkaufen und Südtirols Autozulieferer keine Elektromotoren mehr zusammenbauen. Das heißt auch, dass die Beschäftigten weniger Arbeit haben.
Teure und knappe Rohstoffe und Materialien hemmen den Aufschwung nach der Pandemie. Die Krise treibt die Kosten und schmälert die Gewinnspanne. Südtirol hat viele innovative Unternehmen, denen der Rohstoffmangel zu schaffen macht (siehe Titelgeschichte in dieser Ausgabe).
Was bisher ein Vorteil war, die Auslagerung der Produktion, erweist sich jetzt als Nachteil. Die Auslagerung garantierte niedrigere Kosten (vor allem für die Arbeit), jetzt bringt sie gut aufgestellte Unternehmen in Schwierigkeiten und ist ein gefährlicher Beschleuniger der Inflation. Und die Inflation wiederum treibt die Löhne hoch.
Südtirol hat sich wie ganz Europa an China, Taiwan, Singapur oder Malaysia ausgeliefert. Um die Gewinne zu maximieren, Arbeitsplätze einzusparen, den Dreck zu vermeiden, der mit der Verarbeitung von Rohstoffen einhergeht. So hat Europa viel an Know-how verloren.
Das Wirtschaftsmodell, das seit 20, 30 Jahren die Köpfe beherrscht, erweist sich jetzt als wenig widerstandsfähig – um nicht das schicke Wort „resilient“ zu gebrauchen.
Der heiße Kern dieses Modells war die Globalisierung, das grenzenlose Wirtschaften. Grenzenlos war freilich nur der Fluss von Kapital und Rohstoffen. Egal ist, wie skrupellos autoritäre Regime Rohstoffe und Menschen ausbeuten. Die Globalisierung hat die Welt nicht demokratischer gemacht. Der Hunger nach Rohstoffen ist zu groß.
Bis vor ein, zwei Jahren hat das Spiel, auf das sich die Wirtschaft eingelassen hatte, funktioniert: Nichts auf Lager, aber alles innerhalb von ein paar Tagen lieferbar. In China billig produzieren und in Europa zusammenbauen. Und dann teuer verkaufen. Blauäugig hat man darauf vertraut, dass alles bleibt, wie es ist. Jetzt ist der Faden gerissen, ein Virus hat die Welt verändert. Und die Unternehmer müssen sich fragen: Wollen wir so weiterwirtschaften?
Heiner Oberrauch, mit Salewa-Oberalp Produzent von hochwertigen Sportartikeln und Präsident des Südtiroler Unternehmerverbandes, sagt: „Wichtig ist, dass Europa sich zusammenschließt. Und dass Europa sich Produktionen zurückholt.“
Europa müsste sozusagen ein nationales Bewusstsein entwickeln, seine (wirtschaftlichen) Interessen verteidigen, seine Werte schützen. Will man die Produktion zurückholen, heißt das aber auch, dass Menschen höhere Preise in Kauf nehmen müssen und/oder die Unternehmen niedrigere Gewinnmargen. Damit die Menschen, die diese Dinge herstellen, anständig bezahlt werden können.
Europa hat einiges versäumt. Kann es sich autonomer machen? Ja, kann, es hat die Kraft und das Potenzial dazu.
Aber es muss jetzt beginnen. Mit viel Kraft. Und Selbstbewusstsein. Ein Europa, das sich selbst geißelt, wird es nicht schaffen, sich von China & Co unabhängig(er) zu machen.
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