Sad-skandal – Politik
Leitartikel
Innerlich zerrissen
Aus ff 12 vom Donnerstag, den 24. März 2022
Wie die SVP-Männer am Telefon übereinander reden, das ist aufregend, gewiss. Aber wichtiger als das ist, worum es wirklich geht.
Dein größter Feind ist dein Parteifreund. Das ist ein altbekannter, ein wahrer Satz. Wir können jetzt – dank der Audiodateien des Buches „Freunde im Edelweiß“ – hören, wie Parteifreunde der SVP übereinander sprechen, wie sie schimpfen, zetern und beleidigen. Schön ist das nicht, aber doch eben allzu menschlich. Wer von uns hat nicht schon mal die Beherrschung verloren? Wer hat nicht schon mal geschimpft über Arbeitskollegen, Verwandte, Freunde?
Ja, was wir jetzt über abgehörte Telefongespräche selbst mittels QR-Code anhören können, das ist aufregend und erschreckend gleichermaßen. Aber mal ehrlich: Es befriedigt vor allem unser voyeuristisches Interesse. Jetzt dürfen wir uns alle schön empören über den Ton in dieser Partei. Aber in einer Partei streitet man sich, man fällt übereinander her, man lästert gerne hinter vorgehaltener Hand über Parteikollegen, auch in der SVP. Es wird halt nicht immer öffentlich.
Hat jemand gedacht, Politiker seien Heilige?
Wie die SVP-Männer reden, das ist aufregend, gewiss. Aber wichtiger als das ist, worum es wirklich geht. Die Sad-Abhörprotokolle zeigen, wie ein ehemaliger Landeshauptmann versucht, auf die Regierungsbildung im Interesse eines Unternehmens Einfluss zu nehmen, sie zeigen, wie stark die SVP mit Wirtschaftsinteressen verfilzt ist, sie zeichnen ein Bild von Männern, die getrieben sind von brennender Gier, die arrogant und rücksichtslos sind. Politik, das ist vielen von ihnen vor allem eines: lukratives Geschäft. „Provinzielle Abgründe. Das erschreckende Sittenbild von Südtirols Politik und Verwaltung“ titelte die ff im vergangenen Dezember. Da stand alles Wesentliche zu lesen.
Das Buch „Freunde im Edelweiß“ ist wichtig, es ist interessant. Viel wichtiger als die Schimpftiraden der „Edelweiß-Freunde“
aber ist die Frage, was innerhalb der SVP im Landtagswahlkampf 2018 geschehen ist. Weitaus bedenklicher als der Inhalt dieser Audiodateien ist die Tatsache, dass im besagten Wahlkampf auch Firmen der SVP Geld gespendet haben, die im Laufe dieser Legislatur millionenschwere PPP-Projekte zur Entscheidung in die Landesregierung gebracht haben. Warum verteilen ebendiese Firmen ihre Spenden, aufgeteilt immer knapp unter 5.000 Euro, so dass sie sich der Pflicht zur Veröffentlichung entziehen?
Das ist nicht illegal. Es kann niemandem vorgeschrieben werden, wem er sein Geld gibt und wie er es aufteilt. Aber warum will jemand seine Spende an die SVP verschleiern? Weil nicht bekannt werden soll, dass Politiker beeinflussbar sind? Wir wissen es nicht. Aber es ist seltsam, dass keiner in der Volkspartei nachfragt. Warum fordert hier niemand eine Aufarbeitung und Klärung?
Stattdessen mokieren sich Vertreter der SVP über die abwertende und respektlose Sprache, die Parteifreunde verwenden. Sollen sie, aber sie sollten auch über die wirklich wichtigen Dinge sprechen und eine Aufklärung verlangen. Wenn das nicht geschieht, dann wird sich die Krise der SVP verschärfen. Das Bild, das sie bietet, ist jämmerlich. Und gemeint ist nicht die eine oder die andere „Fraktion“ in der Partei – gemeint sind sie alle. Die gesamte Partei.
Die einen tun beleidigt, die anderen tun so, als hätten sie nichts Böses gesagt – das ist eine lächerliche Ablenkung. Die wahre Frage lautet: Wie unabhängig ist diese Partei eigentlich? Ist diese Partei ein Dienstleistungsbetrieb für Interessengruppen geworden? Ist diese Partei nichts weiter als eine Agentur zur Beförderung von Geschäften?
Es sieht danach aus. Leider.
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Leserkommentare
1 KommentarArtim
24. März 2022, 09:22Die wahre Frage ist doch wohl längst: Wem gehört die Südtiroler Volkspartei?
Ich lese:
"Die ungesetzliche und unmoralische Weitergabe von Privatgesprächen und das Mithelfen dabei, dass diese Gespräche so verwendet werden, wie sie verwendet wurden, ist die gezielte Aktion eines hohen Parteiexponenten – namentlich die von Karl Zeller –, die darauf abzielt, die Machtverhältnisse in der Partei umzustürzen.", Thomas Widmann (Südtiroler Tageszeitung)
Ich frage:
Ist es nicht Zeit, dass Herr und Frau Südtiroler-in, sich endlich selbst ermächtigt, um aus dieser selbst verschuldeten Unmündigkeit zu kommen?
Wieso sollte man sich als Minderheit die seit 1945 von der amerikanischen Militärverwaltung als legitime Interessenvertretung der Südtiroler anerkannte Partei ausgerechnet hier von Banditen in ihrem Übermut enteignen lassen, damit sich die SVP letztlich zur Freude aller hier im Hintergrund agierenden feindlichen Kräfte unserer wenigen Minderheiten- und Selbstverwaltungsrechte (selbst)abschafft?
Müssten Südtiroler-innen nicht vielmehr überlegen, was abseits ritualisierter Empörungskultur konkret dagegen getan werden kann, um das zu verhindern?
Frag ich mal so. Meinetwegen auch durch revolutionäre SVP-Masseneinschreibung und Machtübernahme. Los von Banditen! Schließlich heißt sie in bester Tiroler Tradition widerständisch und programmatisch ja noch: Südtiroler Volks-Partei! antworten
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