Leitartikel

Die Quittung fürs Wegschauen

Aus ff 14 vom Donnerstag, den 07. April 2022

Zitat
© FF Media
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Der SVP-Obmann weiß seit rund einem Jahr über den Sad-Skandal Bescheid. Sein Nichtstun muss die SVP jetzt ausbaden – und der Landeshauptmann.

Bevor der Vorhang fällt, sollten wir uns daran erinnern, worin der eigentliche Skandal bestand. Ich habe den Eindruck, jene, die für ihn verantwortlich sind, tun alles, um genau dies zu verschleiern.

Sprachwahl und Stil der abgehörten Gespräche sind unterste Schublade. Aber das obszöne Gepoltere ist harmlos, verglichen mit dem Thema. Es ging nicht um Meinungen und Bewertungen, die man teilen oder ablehnen kann, es ging um Business. Im Zentrum der Gespräche stand die Sad-Konzession, der fetteste Geldesel, der je auf einer Südtiroler Weide grasen durfte. Es ging darum, einen Landesrat zu installieren, der die Interessen eines privaten Unternehmers in der Landesverwaltung umsetzt. Kompatscher wurde nicht deshalb als „der schlechteste Landeshauptmann aller Zeiten“ bezeichnet, weil er unfähig wäre, sondern weil er mit der Neuausschreibung der Busdienste dem Skandal namens Sad AG ein Ende setzte.

Es gibt nur einen Verlierer, und das ist die SVP. Das sagte – ausgerechnet – der SVP-Obmann. Da Achammer sich hütete, uns zu erklären, warum die SVP jetzt als die große Verliererin dasteht, will ich es hier nachholen. Die SVP ist die große Verliererin, weil sich ihr Obmann nicht sofort und unmissverständlich hinter den Landeshauptmann gestellt hat. Achammer weiß seit über einem Jahr, was Gatterer, Perathoner, Luis Durnwalder & Co im Schilde führten. Vielleicht kannte er nicht Tonfall und Stil, sehr wohl aber wusste er, was auf dem Spiel stand: Eine SVP-Seilschaft wollte sich die SVP-Landesregierung gefügig machen und einem privaten Unternehmen weiterhin Profite in Millionenhöhe zuschanzen.

Warum hat Achammer nicht sofort reagiert? Spätestens im Herbst 2021 hätte er die Initiative ergreifen können, ja müssen: „Seht her, wir vertreten die Interessen des Volkes, nicht jene einzelner Lobbys. Der Sad-Skandal ist der beste Beweis, dass wir uns gegen Machenschaften, Intrigen und Erpressungsversuche jeder Art wehren.“ Wenn der Obmann vor einem halben Jahr mit diesen Worten vor die Medien getreten wäre, stünde die SVP heute nicht als die große Verliererin da, sondern würde gestärkt aus dem Skandal hervorgehen.

Ich weiß, in diesem Fall würde diese sonderbare Seilschaft, die von Ingemar Gatterer und Athesia über Altlandeshauptmann und Bauenbund bis zu den Arbeitnehmern reicht, heute wie ein begossener Pudel dastehen – als die eigentlichen Verlierer, die sie sind.

Kompatscher mag Fehler machen, viele sogar. In einem Punkt ist der Landeshauptmann aber unangreifbar: Er ist unbestechlich, er entscheidet im Interesse der Allgemeinheit, er behandelt alle gleich, egal, ob sie Ebner heißen oder pinco pallino. Das ist es, was ihn bei Leuten, die etwas anderes gewohnt sind, zur Unperson gemacht hat.

Achammer mag viele Stärken haben. Aber als Obmann einer Partei, die sich in einer der schwersten Zerreißproben seit der Paketabstimmung 1969 befindet, ist er offensichtlich überfordert. Der Sad-Skandal wäre für ihn eine gute Gelegenheit gewesen zu zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist: Er hat sie verstreichen lassen.

Bevor der Vorhang zu diesem Stück fällt, sollte das Publikum also bedenken: Das war bloß der erste Akt. Mit einem scheinheiligen Burgfrieden wird sich das Glaubwürdigkeitsproblem der SVP nicht lösen lassen. Ebenso wenig mit Rücktrittsforderungen, die zu spät kommen, nicht nachvollziehbar sind, von der Basis nicht verstanden werden und möglicherweise gar nicht umsetzbar sind. In Abwandlung eines berühmten Zitates kann festgestellt werden: Wenn man zu spät handelt, Konflikte auszusitzen versucht, anstatt das Problem beim Namen zu nennen, wird alles nur noch schlimmer.

Die Sammelpartei, wenn es sie noch gibt, wird nicht umhinkommen, auf der Landesversammlung Tacheles zu reden – inhaltlicher und personeller Natur.

Leserkommentare

1 Kommentar
Artim
07. April 2022, 11:10

Der Fokus hier - mit der persönlichen Schuldzuschreibung gegenüber Achammer, aber auch das, was sonst abgebildet wird, ist eine Engführung, aber doch wohl kaum eine (journalistische) Analyse mit Selbstanspruch im Umgang mit dem Skandal aufgrund interessensgeleiteter Veröffentlichungsteile aus den SAD-Abhörprotokollen.
Wir haben es (mittlerweile) vielmehr mit einer Vielzahl von Schwächen (der Politik, der Medien) zu tun.
Schwierig offenbar für manche, das nachzuvollziehen, insbesondere, solange sich jeder weiter in seiner (selbstgerechten) Komfortzone und Blase bewegt.
Vielleicht helfen ja Experten für (politische) Krisen- bzw. Skandal-Forschung. antworten

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