Leitartikel

Das Werben um die „Fratelli“

Aus ff 45 vom Donnerstag, den 10. November 2022

Über den Wolf kommt die SVP mit den Postfaschisten ins Geschäft. Die Generalprobe für die Bildung der Landesregierung nach den Wahlen 2023?

Das vergangene Wochenende war das Wochenende der Wolfsjäger. Die Wolfsjäger drängten sich auf der Bozner Messe um den neuen italienischen Landwirtschaftsminister Franco Lollobrigida (Fratelli d’Italia), Schwager von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Südtirols Bauern und große Teile der SVP haben nur mehr den Wolf im Kopf.

Lollobrigida sagte, der Wolf muss erledigt werden dürfen. Die Bauern frohlockten. Einer von denen, die Lollobrigida hoffnungsfroh umstanden, war kein Bauer, sondern SVP-Obmann Philipp Achammer. Er trug ein Lächeln im Gesicht. Hätte er eine Büchse über der Schulter getragen, man hätte sich nicht gewundert.

Südtirol war am vergangenen Wochenende Wolfsland. So schien es jedenfalls, wenn man die Dolomiten las. Das Tagblatt der Ebners hat aus dem Kampf gegen den Wolf eine persönliche Angelegenheit gemacht. Sie baut täglich ein Bedrohungsszenario auf: An einem Tag sind es die Wölfe, am nächsten Kriminelle, die das Land unsicher machen. Ein Wolf, der durch ein Dorf läuft, ist ein Problem, aber was steckt noch hinter dem Geheul über den Wolf? Ein Machtkampf: Leuchten wir doch diesen Naturschützern heim!

Der Wolf, so scheint es, ist das Problem. Und nicht die Gas- und Strompreise, die Inflation, die Gehälter und Pensionen. Von der Erderwärmung gar nicht zu reden, die Naturkatastrophen verursacht. Und auch die Landwirtschaft bedroht. Schön wäre es, wenn der Bauernbund sich mit derselben Kraft für Klimaschutz einsetzen würde wie gegen den Wolf.

Landwirtschaftsminister Lollobrigida hat den Wolfsjägern versprochen, dass die Entnahme von Wölfen möglich sein wird. Ein leichtes Versprechen, denn möglich ist sie jetzt schon. Auf dem Weg dahin gilt es freilich, gesetzliche Vorschriften einzuhalten. Ein Kennzeichen von rechten Ministern sind vollmundige Versprechen. Die Regierung Meloni betreibt gerade Show-
politik. Die Botschaft ist: Wir regieren mit harter Hand. Opfer dieser Politik sind junge Leute, die einen Rave besuchen, Flüchtlinge, die auf einem Rettungsschiff feststecken, das sie vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet hat.

Die SVP hofiert gerade die Mitglieder der rechten Regierung, Leute, mit denen sie bis vor Kurzem nichts zu tun haben wollten. Jetzt dürfen die Landesräte der Lega immer mit aufs Bild, ist doch einer der ihren, Roberto
Calderoli, Regionen-minister. Wenn die SVP aus Rom etwas bekommt, ist es egal von wem.

Die SVP übt gerade, wie man mit Rechtsextremen Freundschaft schließt – angeführt von Parteiobmann Achammer, der 2018 den Regierungsdeal mit der Lega eingefädelt hat, den Dolomiten und Europaparlamentarier Herbert Dorfmann, der weit nach rechts schaut und es weiter tun wird, um 2024 wieder gewählt zu werden.

Es sieht so aus wie die Generalprobe für die Zeit nach den Landtagswahlen 2023. Verliert die SVP noch mehr an Stimmen, könnte ein Partner nicht mehr reichen, um eine Regierung zu bilden. Mit der Lega ist man schon warm geworden. Kann man auch mit Fratelli d’Italia? Lieber als mit den Grünen …

Doch was ist mit Landeshauptmann Arno Kompatscher? Er will bald erklären, ob er noch einmal antritt. Er hat schon die Koalition mit der Lega geschluckt. Was macht er, sollte ihn seine Partei nach den Wahlen 2023 zu einem Bündnis mit den „Fratelli“ drängen?

So wie es aussieht, sind Teile der SVP zu allem bereit.

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