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Leitartikel
Affenliebe zu den Bären
Aus ff 16 vom Donnerstag, den 20. April 2023
Kann man ignorieren, dass ein Bär einen Menschen getötet hat? Nein, es kann also nur eine Konsequenz geben.
Es gibt Menschen, die trauen sich jetzt nicht mehr wandern zu gehen. Sie haben Angst, einem Bären zu begegnen. Sie gehen jetzt nicht mehr auf die Barbianer Alm oder auf die Mendel. Die Braunbären, die im Trentino und in Südtirol durch die Wälder spazieren, sind stattliche Exemplare – um die 2 Meter groß und über 100 Kilo schwer.
Neulich, im Trentino, hat eine Bärin, JJ4, 17 Jahre alt, einen Menschen getötet – nicht weit weg von Südtirol, in der Val di Sole. Andrea Papi war laufend im Wald unterwegs gewesen, als er auf JJ4 traf. Sie ist eine Nachkommin der ersten Bären, die 1999 im Trentino wieder angesiedelt wurden – sie wurden aus Slowenien importiert –, sie sind nicht einfach gekommen wie die Wölfe.
Damals war die Bärenpopulation im Trentino auf drei Exemplare geschrumpft, heute sind es wieder an die hundert. Die Bären haben offensichtlich Spaß. Sie finden genug zu fressen und wenn sie es nicht in der Natur finden, finden sie es auf den Bauernhöfen oder plündern die Bienenstöcke. In einer Region, die dicht besiedelt ist, ist die nächste Speisekammer nicht weit weg.
War es richtig, die Bären wieder in der Region anzusiedeln? Und was tun, wenn ein Bär einen Menschen tötet? Oder ein Wolf eine Schafherde überfällt? Jetzt wollen alle die Problembärin erschießen. Am Dienstag wurde sie eingefangen. Was passiert jetzt mit ihr?
Es ist heute mehr denn je geboten, Respekt vor der Natur zu haben, zu tun, was möglich ist, Natur und Klima zu schützen. Aber gehört dazu, auch Bären in einer Region anzusiedeln, die für das Großraubtier zu klein geworden ist? Bären werden zu Problembären, wenn sie in einem Gebiet angesiedelt werden, in dem sie jederzeit auf Menschen treffen können. Und sie werden noch mehr zu Problembären, wenn sie sich ungehindert vermehren, wenn die Liebe zum Tier die Menschen blind macht und es mehr Bären werden, als eine Region vertragen kann.
Es ist, wenn man so will, eine Affenliebe zu den Bären und den Wölfen, die radikale Tierschützerinnen und Tierschützer auszeichnet. Was hat man damit erreicht? Aber vielleicht ist es einfach so, dass in einem Land wie dem Trentino oder wie Südtirol Raubtiere und Menschen einfach nicht mehr zusammenpassen, dass man sie nicht zusammenzwingen kann (siehe Titelgeschichte in diesem Heft).
Die Debatte ist jetzt, wo ein Mensch nach dem Angriff von JJ4 gestorben ist, so emotionalisiert, dass eine Verständigung unmöglich scheint. Auf der einen Seite die Leute, die ein wolfs- und bärenfreies Land fordern, auf der anderen Seite die Leute, die Raubtiere vermenschlichen. Die sagen: selber schuld, wenn man ihnen zu nahe kommt. Es klingt zynisch, wenn man jetzt den Leuten sagt, das Leben ist gefährlich, ihr geht ja in die Natur und setzt euch den Lawinen aus. Ins Gebirge geht man aus eigener Entscheidung, Bären begegnet man nicht freiwillig, sondern weil irgendjemand die (vielleicht nicht so gescheite) Idee hatte, sie hierherzubringen, und zugeschaut (oder weggeschaut) hat, wie sie mehr und mehr wurden.
Dabei kann es im Falle von JJ4 nur eine Konsequenz geben: die Bärin zu entnehmen, sagen wir es ruhig, sie zu erlegen. Man kann nicht ignorieren, dass ein Mensch gestorben ist.
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