Leitartikel

Löhne rauf!

Aus ff 41 vom Donnerstag, den 12. Oktober 2023

 

Während die Gewinne der Unternehmen sprudeln, werden die Löhne von der Inflation aufgefressen. Das ist sozialer Sprengstoff.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Südtirols 300 umsatzstärkste Unternehmen haben ihre Gewinne in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht – von 474 auf 1.621 Millionen Euro. Das hat das Wirtschaftsmagazin Südtirol Panorama aus dem ff-Verlag ausgerechnet.

Gut, könnte man nun sagen, das Pusterer Unternehmen Intercable hatte 2022 ein außergewöhnliches Jahr. Es fuhr einen Gewinn von 443 Millionen Euro ein wegen des Verkaufs von Firmenanteilen an den weltweit größten Automobilzulieferer Aptiv. Doch selbst wenn man diesen Rekordgewinn nicht mitrechnet, zogen die Gewinne der restlichen 299 Unternehmen seit 2013 um rund 150 Prozent an.

Das ist schön für Südtirols Unternehmen. Sie wirtschaften gut und stehen solide da. Es ist die eine, die glänzende Seite der Medaille.

Die andere Seite der Medaille zeigt uns die Löhne der Beschäftigten. Sie ist matt – und alles andere als vorzeigenswert. Die Löhne der Beschäftigten in Südtirols Privatwirtschaft stagnieren seit Jahren. Sie sind nicht um 150 Prozent seit 2013 angestiegen, sondern, Achtung festhalten, um wenig mehr als 10 Prozent.

Zwar liegen die Zahlen für die Jahre 2021 und 2022 noch nicht vor – das Landesstatistikinstitut Astat hat eine etwas längere Leitung –, doch die Hochrechnung von 2013 bis 2022 ergibt ein schlappes Plus von etwa 3.000 Euro brutto. Oder eben 11 Prozent.

Gemessen an den Teuerungen ist das extrem wenig. Denn die Preise steigen und steigen, vor allem in den vergangenen Monaten. Das Astat berechnet die Inflation zwischen 2013 und 2022 offiziell mit 25,9 Prozent. An der Supermarktkasse und beim Restaurantbesuch fühlt es sich nach weitaus mehr an. Aber bereits die offizielle Inflation reicht aus, um die Reallöhne ins Minus zu drücken. Plus 11 Prozent Lohnerhöhung minus 25,9 Prozent Teuerungen ergibt rund 15 Prozent – weniger. Das bedeutet, die Reallöhne in Südtirols Privatwirtschaft sind in den vergangenen zehn Jahren um 15 Prozent gesunken.

Es ist erschreckend: Während die Löhne der Beschäftigten real sanken, stiegen die Gewinne der Unternehmen real – und zwar um mehr als 100 Prozent. Geht diese Schere weiter so auseinander, wird das unsere Gesellschaft auf Dauer nicht aushalten. Die Menschen lassen sich nicht mit Brosamen oder warmen Worten abspeisen, wenn sie sehen, dass ihre Chefs Jahr für Jahr Rekordgewinne scheffeln.

Dagegen gibt es nur ein Mittel: Löhne rauf! Und zwar so schnell wie möglich. Das hilft nicht nur den Beschäftigten, sondern auch den Unternehmen selbst. Denn mit höheren Löhnen werden sie wieder attraktiver für die Arbeitskräfte, deren Mangel tagtäglich beklagt wird. Außerdem kann es nicht im Sinne der Unternehmen sein, wenn die Kaufkraft der Menschen schwindet. Sie können dann nicht mehr die Produkte kaufen, die die Unternehmer unter die Leute bringen wollen. Das wäre ein Schuss ins eigene Knie.

Die Politik ist ebenso gefordert. Sie sollte Anreize schaffen, damit die Unternehmen die Löhne nach oben korrigieren. Zum Beispiel, indem sie jene Betriebe steuerlich begünstigt, die ihre Arbeitskräfte besser bezahlen.

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