Leitartikel

Mehr Demokratie

Aus ff 51 vom Donnerstag, den 21. Dezember 2023

 

41 Menschen von der SVP haben über die Zukunft des Landes entschieden. Geht das?

Wäre man Mitglied der Südtiroler Volkspartei und wollte am Leben der Partei teilhaben, müsste man sich jetzt Gedanken machen. Was soll man in dieser Partei, in der eine Handvoll Leute über die Zukunft des Landes entscheiden?

Ist das Demokratie, wenn ein paar wenige die Zukunft des Landes bestimmen, es die Partei nicht für nötig hält, etwa ihre Mitglieder zu befragen? Nein, es ist die alte Hinterzimmer-politik, Luis Durnwalder style. Das macht die Menschen politikverdrossen.

41 Mitglieder des Parteiausschusses haben am 2. Dezember darüber entschieden, sich nach rechts zu wenden, zur Lega, zu den Fratelli d’Italia (vergessen wir die Freiheitlichen nicht), Parteien mit rechtsextremen Zügen. Die einen hetzen gegen Migranten, die anderen hetzten vor nicht allzu langer Zeit gegen die Autonomie. In Rom polen sie gerade die Rai um, sexuelle Minderheiten müssen um ihre Rechte fürchten, und gegen Kriminalität gibt es nur Repression und nicht Prävention.

Autonomie über alles, sagen der Landeshauptmann und seine Partei. Der Autonomie wegen verbündet sich die SVP jetzt mit einer Partei, in der es immer noch Exponenten gibt, die Mussolini nachtrauern, zu seinem Grab pilgern, den faschistischen Gruß gebrauchen.

Dagegen protestieren gerade viele Menschen. Die hilflos autoritäre Reaktion von Marco Galateo, zukünftiger Landesrat der Fratelli d’Italia: Er droht mit Klage. Wenn es um sie selbst geht, sind rechte Politiker empfindliche Wesen, wenn es um die anderen geht, haben sie die Lizenz zum Austeilen.

Was braucht Südtirol wirklich in den kommenden fünf Jahren?

Ja, auch eine Absicherung der Autonomie. Über die freilich nicht nur ein paar Leute hinter den Kulissen feilschen dürfen. Die SVP tut immer noch so, als verfüge sie über die absolute Mehrheit, dabei steht sie bei 35 Prozent. In der SVP entscheiden 41 Mitglieder über die Linie der Partei, im Land entscheidet eine Partei im Sinkflug für uns alle.

Sachen, die nicht öffentlich verhandelt werden, kann das Volk nur mehr resigniert zur Kenntnis nehmen (Politikmüde gibt es freilich schon genug). Oder sich dagegen auflehnen. Wie jetzt, wo ein Protestschreiben auf das andere folgt, aber die Antwort der SVP vorgestanzte Beschwichtungsformeln sind. Warum lädt Arno Kompatscher Kulturschaffende, Wissenschaftler und Frauen nicht zum Gespräch, in einem offenen Forum?

Aussitzen, schweigen, sich nicht stellen, den Protest ignorieren, ihn kleinreden, ist eine bewährte Methode in Südtirol, um Aufruhr abzukühlen. Man wartet, bis die Leute sich denken: Es ist eh nichts mehr zu ändern. Oder man versucht, sie mit Klagedrohungen einzuschüchtern. Doch Politiker müssen mehr aushalten als andere Menschen.

Der Schluss daraus für das kommende Jahr: Es braucht dringend mehr Transparenz, mehr Demokratie, mehr Partizipation, mehr Dialog, mehr Auseinandersetzung. Gerade in einer Zeit, in der die Volkspartei(en) die Tür öffnen für Kräfte, die alles andere wollen als eine liberale Demokratie.

Sorgen wir dafür, dass die Demokratie nicht einschläft.

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