Ein leeres Unicafé, genervte Beamte und Rekurse: was das italienische Vergabegesetz mit dem Ringen um die Südtirol-Autonomie zu tun hat.
Leitartikel
Wir kriegen es einfach nicht hin
Aus ff 08 vom Donnerstag, den 22. Februar 2024
Es ist noch Winter, aber viele Familien denken jetzt schon mit Schrecken an den Sommer. Denn dann stellt sich die Frage: wohin mit den Kindern?
Wer den Sommer mit Kindern entspannt überstehen will, muss Glück haben. Glück, in einer Gemeinde zu wohnen, wo es ein gutes Sommerbetreuungsangebot gibt; Glück, noch eine rüstige Oma oder einen fitten Opa zu haben; Glück, dass nach den ersten Anmeldestunden noch freie Plätze übrig sind, und: Glück, sich all die vielen und unterschiedlichen Betreuungsangebote finanziell leisten zu können.
Seit Jahren erleben Südtiroler Eltern den gleichen Wahnsinn: Kaum ist das neue Jahr in die Gänge gekommen, brandet die Debatte über die Schwierigkeiten bei der Sommerbetreuung auf. Der Sommer liegt noch in weiter Ferne, aber viele Eltern haben jetzt schon schlaflose Nächte wegen der angeblich schönsten Zeit im Jahr. Sie treibt nämlich die Frage um: wohin mit unseren Kindern?
Beruf und Kinder zu vereinen, ist schon unter dem Jahr schwierig. Die Sommerferien aber werden für viele Eltern zu einer wirklich schwierigen Herausforderung. Im Sommer bündeln sich die Probleme wie in einem Brennglas. Das Betreuungs- und Bildungssystem stößt an seine Grenzen. Das passt alles nicht mehr zusammen; die Löcher, die man stopfte, reißen neue auf.
Wie bitte soll man als arbeitende Person mal eben so elf Wochen im Sommer freinehmen? Das geht einfach nicht. Trotzdem sind die langen Ferien und mit ihnen das gesamte Bildungs- und Betreuungssystem in Stein gemeißelt. Es ist ein veraltetes Modell.
Es gab eine Zeit, da mussten die Kinder bei der Ernte helfen – die Gesellschaft war bäuerlich. Sommerferien waren Ernte-ferien. Heute leben nur noch sieben Prozent von der Landwirtschaft, die Arbeits- und Familienstrukturen haben sich stark verändert. Die Zeiten, als nur einer in der Familie erwerbstätig war, sind längst vorbei. Nur die Kinderbetreuung hat sich daran nicht angepasst. Haben wir schon immer so gemacht, warum sollen wir jetzt etwas daran ändern?! Das ist die unausgesprochene Antwort. Betonköpfiger geht es nicht.
Wer angestellt ist, kommt im Jahr auf durchschnittlich etwa 30 Urlaubstage. Damit hat man die Sommerferien, 75 Ferientage, nicht abgedeckt – zudem gibt es ja auch Herbst-, Weihnachts-, Winter- und Osterferien. Leicht auszurechnen, dass da etwas ziemlich im Ungleichgewicht ist. Das Ferienzeitmodell ist schlicht nicht mehr mit der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit von heute vereinbar.
Seit Jahren gibt es eine Debatte darüber. Aber man tritt auf der Stelle, verstrickt sich in politischen Grabenkämpfen und schreckt vor grundlegenden Reformen der Bildungs- und Betreuungsmodelle zurück. Seit Jahren fordert etwa die Allianz für Familie neue Angebote und Konzepte für mehr Planungssicherheit. Vor den Landtagswahlen präsentierte sie in einem Forderungskatalog 24 konkrete Maßnahmen für die Bereiche Kleinkindbetreuung, Kindergarten, Schule sowie Mensa und Nachmittagsbetreuung.
Es sind Vorschläge, die gebetsmühlenartig vorgetragen werden. Bislang mit sehr wenig Erfolg.
Im Koalitionsabkommen der neuen Regierung wird nun ein „landesweites Konzept für eine durchgehende Sommerbetreuung“ versprochen, ebenso der „Ausbau des familienunterstützenden Betreuungs- und Bildungsangebotes“. Das ist schön. Südtirol kann es sich nicht leisten, Familien und Kinder zu verlieren. Politikerinnen und Politiker, die Interesse an der Zukunft unserer Gesellschaft haben, können nicht anders, als mutige neue Wege zu gehen – und Geld und Zeit für die Kinder zu investieren. Man kann Geld nicht besser investieren. Vielleicht gäbe es dann, mit einer echten Betreuung, auch wieder mehr Kinder.
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