Der Bergrettungschef liebt Abwechslung beim Essen und betet an spannenden Schlüsselstellen beim Klettern.
Leitartikel
Willkommen
Aus ff 18 vom Donnerstag, den 02. Mai 2024
Wenn wir als Wirtschaftsstandort attraktiv sein wollen, müssen wir uns öffnen. Nicht nur in den Unternehmen.
Seit Jahren derselbe Tenor. Die Wirtschaft sucht verzweifelt nach Fachkräften. Nach bestens ausgebildeten Talenten, die unsere Unternehmen zu Leadern machen, zu den Besten der Besten quer durch alle Branchen. Zu Spitzenbetrieben, die es mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen können.
Das Problem nur: Es wird immer schwieriger an sie ranzukommen. In zehn Jahren – wir haben über diese Prognose in diesem Magazin wiederholt berichtet – werden in Südtirol 30.000 Leute fehlen. Schließlich gehen die Babyboomer, das sind die zwischen 1946 und 1964 Geborenen, Schritt für Schritt in Pension und es kommen wenige Junge nach. Dazu kommt: Wir können im europäischen Vergleich längst nicht die höchsten Gehälter zahlen, haben kaum Wohnraum, hohe Lebenshaltungskosten und schlechte Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Unternehmen verzweifeln daran. Wer kann, lässt sich seine Verzweiflung etwas kosten. Hoteliers etwa bauen immer größere Mitarbeiterhäuser und statten sie sogar mit Pools aus. Ganz nach dem Motto: Über den Fachkräftemangel kann man klagen – oder etwas dagegen tun. So wie es Google oder Adidas seit Jahren tun.
Die Liste an Benefits, also attraktive Angebote für die Belegschaft, wird immer länger. Sie reicht vom Fitnessstudio und Massagen über das gesunde Mittagessen in schicken Mensen bis hin zu Obstkörben in den Büros. Alles zum Null- oder Günstigtarif. Dazu gesellen sich flexible Arbeitszeitmodelle wie die 4-Tage-Woche und die Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten.
Auch Land und Handelskammer sind aktiv. Mit ihrer Initiative „Work in Südtirol“ unterstützen sie jene, die hier arbeiten möchten, und jene, die nach diesen Arbeitskräften suchen. Plus werden an Universitäten in Wien oder München sogenannte Aperitivos organisiert, um Personalsuchende und potenzielles Personal möglichst früh zusammenzubringen.
Tolle und lobenswerte Initiativen. Ohne Frage. Doch was nutzt das alles, wenn wir in einem Land leben, das sich immer weiter verschließt, anstatt sich zu öffnen. Wie soll sich eine Fachkraft aus Schweden, den USA, Marokko oder Pakistan in einem Land wohlfühlen, sich hier integrieren, wenn nichts als gehemmt und geblockt wird. Wenn jeder Versuch der Öffnung schnell wieder untergraben wird. Wenn sich eine unserer Regierungsparteien vehement gegen einen englischsprachigen Klassenzug am Realgymnasium – ein Pilotprojekt noch dazu! – wehrt. Wenn Unternehmerverbands-
präsident Federico Giudiceandrea mit seiner Forderung einer internationalen Schule seit Jahren auf taube Ohren stößt. Wenn Roland Seppi, der Landeskommandant der Schützen, auf der 59. Bundesversammlung des Schützenbundes nichts als warnt, dass deutschsprachige Kinder zu „Reservespielern“ herangebildet werden, da die deutschen Schulen massiv von italienischsprachigen und ausländischen Kindern besucht werden. Wenn wir immer weiter nach rechts abdriften und ein Jürgen Wirth Anderlan nach wie vor als Landtagsabgeordneter tätig sein darf, obwohl er zynisch hetzt und Leute in Steinbrüche schicken will.
Müssen wir uns als Land nicht endlich die Frage stellen, was uns als attraktiver Standort ausmacht? Nur der schönen Berge und der guten Luft wegen kommt niemand zu uns. Unsere Wirtschaft kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn wir es als Gesellschaft insgesamt sind. Weltoffen, nach außen gewandt und zugleich inklusiv. Das heißt: neue Mitarbeitende – aus welchem Land auch immer – nicht nur im Unternehmen willkommen zu heißen, sondern auch im Alltag. Nur das macht uns unwiderstehlich.
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