Aufgrund des Mangels an männlichen Arbeitskräften arbeiten immer mehr Frauen im Bergwerk in Pokrowsk bei Donezk. Doch die Front rückt immer näher. Text: Daniela Prugger | Fotos: Oleksandr Ratushniak
Leitartikel
Kompromisslos geht es nicht
Aus ff 28 vom Donnerstag, den 11. Juli 2024
Es ist falsch, Naturschutz gegen Wirtschaft auszuspielen. Damit etwas weitergeht, braucht es vernünftige Deals.
In Brixen ist der Streit um ein Stück Auwald, drei Hektar Land mit vielen seltenen Vögeln und Pflanzen, wieder aufgebrochen. Die Gemeinde hat das Verfahren eingeleitet, um den Auwald, vom Gesetz streng geschützt, in eine Gewerbezone umzuwandeln.
Ist das richtig, in Zeiten des Klimawandels, den letzten Rest eines uralten Auwaldes den Interessen der Wirtschaft zu opfern? Die Progress, Spezialistin für Fertig-Betonteile, will dort den Betrieb erweitern und 200 neue Arbeitsplätze schaffen.
Es ist ein exemplarischer Konflikt zwischen Wirtschaft und Naturschutz. In Südtirol wird er oft zugunsten der Wirtschaft entschieden. Gerade in letzter Zeit hat sich der Wind gedreht, jetzt stehen nicht mehr Natur- und Umweltschutz an erster Stelle, sondern die Entwicklung der Wirtschaft. Und Wirtschaft, so wie sie ist, und Naturschutz vertragen sich nicht besonders. Das sieht man etwa am Tourismus, der wächst und wächst und wächst.
Doch hier in Brixen hat man etwas getan, was nicht üblich ist (was manche freilich schnell als Greenwashing denunzieren). Die Progress will einen Ausgleich für den Auwald schaffen, durch die Renaturierung von 1,7 Hektar Obstwiesen neben der Millander Au. Die Firma hat nicht nur den Auwald unweit vom Betriebssitz gekauft, sondern auch die Obstwiesen, und will sie der Gemeinde überlassen. Für Südtirol ist das neu.
Nun kann man, wie die radikalen Umweltschützer, die den Auwald retten wollen, einwenden, dass das nicht genug ist. Wir brauchen diese Leute, wenn wir die Zerstörung der Natur aufhalten wollen, aber kompromisslos werden wir nicht weiterkommen. Doch was irritiert: Naturschützer, die nicht ihrer Meinung sind, die glauben, dass der Tausch Auwald gegen Ausgleichsflächen eine gute Lösung ist, gelten als Verräter. An der grünen Front gibt es viele Päpste und viele Religionen, wer kompromissbereit ist, ist schnell draußen.
Naturschutz ist ein hohes Gut. Wenn wir die Natur zerstören, die letzten Flecken, die heil geblieben sind, untergraben wir unsere Lebensgrundlagen, gerade in einem Land wie Südtirol, mit dieser Geografie. Das hat Folgen: Muren, Lawinen, Überschwemmungen. Wir müssen mit der Natur leben, nicht gegen sie.
Das ist die eine Seite. Die andere sind die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, Arbeit geben, mit ihren Steuern zum Wohlstand beitragen. Auch wenn sie manchmal mehr von dem, was sie erwirtschaften – und in Südtirol ist es viel –, an die Menschen abgeben könnten, die den Reichtum mit ihrem Kopf und ihren Händen erarbeiten, den Arbeitskräften und Angestellten.
Es ist falsch, den Naturschutz gegen die Wirtschaft auszuspielen und die Wirtschaft gegen den Naturschutz. Wirtschaftlicher Wohlstand ist ebenso wichtig wie Naturschutz – die -Grünen haben es ja endlich verstanden, dass der grüne Deal sozial verträglich sein muss.
Ist der Kompromiss von Brixen, Auwald gegen Ausgleichsmaßnahmen, ein alter Auwald gegen einen neuen, also von vornherein faul? Nein. Wenn Naturschützer nicht wollen, dass Wirtschaft oder Landwirtschaft ihrerseits mauern, müssen sie sich auf vernünftige Deals einlassen, dürfen sie dem anderen nicht -chronisch misstrauen.
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Leserkommentare
2 KommentareEndzeit
12. Juli 2024, 07:26Wenn es so einfach wäre einen alten Auwald gegen einen "neuen Auwald" zu tauschen , dann hätte diese Welt wahrlich ein Problem weniger. Der Mensch kann wohl graben und pflanzen, aber er kann keine Ökosysteme ad hoc schaffen. Das Problem sind die langen Zeitrahmen! Und was machen die bedrohten Arten in der Zwischenzeit? Sie weichen aus, wenn es eine Möglichkeit gibt, wenn es diese aber nicht gibt dann sterben sie aus. Auch das ist nichts Neues. antworten
Antworten als Unbekannt
Endzeit
12. Juli 2024, 14:37Das Zitat kann man aber auch umdrehen
" Wenn die Wirtschaft nicht will dass die Naturschützer mauern, muss sie endlich aufhören faule Kompromissen zu servieren "
Auch ist es mehr als erstaunlich dass sich immer welche finden, die den "letzten Mohikaner" zu schlachten bereit sind antworten
Antworten als Unbekannt
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