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Leitartikel
Das Recht der Natur
Aus ff 34 vom Donnerstag, den 22. August 2024
In Südtirol gibt es genug Wald. Er ist wichtig, damit Natur und Mensch in der Balance bleiben. Schauen wir auf ihn!
Im Sommer ist der Wald ein Beschützer, Bäume schützen uns vor der Hitze. Temperaturen über 37 Grad sind lebensgefährlich, der Körper kühlt nicht mehr ab. Deshalb müssten auch Städte bewaldet sein.
Wir müssen also den Wald beschützen, damit er uns schützt. Im Moment attackiert der Borkenkäfer den Wald, er tut, was in seiner Natur liegt. Der Käfer zerstört, was uns schützt, auch wenn er mit seiner Arbeit eigentlich dafür sorgt, dass der Wald sich erneuern kann – ein natürlicher Prozess. Aber der Wald ist anfällig, weil er oft Monokultur geworden ist (auch durch die Hand des Menschen). So wie unten im Tal mit den Apfelbaum-Wäldern. Monokulturen können sich schlechter selbst schützen.
Eigentlich ist der Wald ein Genie, das Holz wächst von allein nach – ein Rohstoff wie Öl hingegen erschöpft sich. Er reguliert sich von selbst. Es gibt ja kaum einen schöneren Wald als den, in dem der Mensch nicht aufräumt. Oder aufräumen muss, weil sich sonst dort der Käfer verbreitet. Das heißt nicht, dass wir ihn nicht nutzen sollen. Es gilt aber, schonend mit ihm umzugehen – Empathie ist eine wichtige menschliche Tugend, auch der Natur schadet sie nicht.
Wer in den Wald geht, weiß, dass sich dort Geist und Seele beruhigen. Man muss dabei gar nicht der Mode des Waldbadens folgen, sondern einfach auf sich selbst hören. Oder besser noch, den Kopf leeren von den Mühen des Alltags. Dabei muss man dem Wald gar nicht einmal eine Seele andichten oder aufmalen wie die Romantiker, für die der Wald das andere der modernen Welt war, der geschäftigen lauten Gesellschaft da draußen. Ein Fluchtort, besonders in der deutschen Literatur und Malerei, ein Mythos, der gerne auch von Nationalisten benutzt (und missbraucht) wurde.
Vielleicht auch deshalb war das Waldsterben in Deutschland besonders gefühlt, als der saure Regen niederging. Die Franzosen übernahmen den deutschen Begriff, „Le Waldsterben“. Heute gibt es in Deutschland Richter, die dem Wald aufgrund der EU-Grundrechtecharta eine eigene Rechtspersönlichkeit zugestehen. Der Wald darf klagen, wenn er seine Rechte verletzt sieht.
In Südtirol gibt es genug Wald, er stirbt nicht. Aber er ist gefährdet, durch den Borkenkäfer, durch Stürme, die immer unerbittlicher werden, die wie „Vaja“ vor ein paar Jahren die Bäume umlegen, als seien sie Zahnstocher, durch neue Seilbahnen und Skipisten, durch einen Tourismus, der nicht Ressourcen schont, sondern auffrisst. Was der Wald für eine Bedeutung hat, kann man in dieser ff nachlesen.
Der Wald ist ein öffentliches Gut, er sorgt für Ausgleich, für Wohlbefinden. Es braucht ihn, damit die Natur im Gleichgewicht bleibt, damit Hänge nicht rutschen, Lawinen nicht zu Tal donnern. Lange Zeit hat man Raubbau an ihm betrieben, ganze Landstriche entwaldet, die später mühsam aufgeforstet werden mussten. Und weil der Wald ein öffentliches Gut ist, dürfen die Menschen keine Angst haben, in den Wald zu gehen, weil etwa Wölfe und Bären sich ausbreiten.
Wir nehmen es als selbstverständlich hin, dass es den Wald gibt, er ist einfach da. Wir haben das Recht, ihn zu nutzen. Und die Pflicht, ihn zu schützen.
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