Quästor Paolo Sartori greift hart durch, heißt es. Das bekommen immer mehr Menschen zu spüren: Migranten ohne Vorstrafen. Oder politisch Aktive.
Leitartikel
Sicherheit und Recht
Aus ff 35 vom Donnerstag, den 29. August 2024
Polizeichef Paolo Sartori weist Migranten aus, Landesrat Marco Galateo will Pädagogen entlassen. Doch dafür braucht es faire Verfahren. von Georg Mair, Chefredakteur
Kennt jemand die Namen der Quästoren, die in den vergangenen Jahren Bozen gestreift haben? Sie gehen und kommen, es ist Praxis in der italienischen Verwaltung, sie immer wieder zu versetzen. Sonst könnten ja ungute Seilschaften entstehen, zu viel Nähe, Beißhemmungen. Wie es halt passiert, wenn man jemanden kennt.
Niemand kennt die Namen der Quästoren vergangener Zeiten, sie versteckten sich, wollten jedenfalls nicht auffallen. Und es ist ja auch eine Tugend, wenn Polizisten ihre Arbeit tun, aber wenig von sich reden machen. Niemand muss wissen, wie der Quästor heißt und wie er aussieht.
Ein Polizeichef, der mit all diesen Traditionen, die auch Tugenden sind, bricht, ist Paolo Sartori. Jeden Akt, den er setzt, begleitet er mit einer Pressemitteilung, jede Ausweisung wird mit Trara von der bisher unauffälligen Presseabteilung der Quästur begleitet, jedes Treffen mit einem Politiker von einem Foto begleitet.
So als wäre Südtirol ein Land, in dem immer mehr Straftaten begangen werden. Das Gegenteil ist der Fall, doch der Quästor und seine Trompeter (die lautesten sitzen bei den Dolomiten und beim Alto Adige) erzeugen den Eindruck des Gegenteils. Die Leute glauben, dass sie jetzt Angst haben müssen.
Paolo Sartori verhängt atemlos Maßnahme um Maßnahme, Ausweisungen, Platzverbote, etc. (siehe eigenen Artikel auf Seite 22). Richtet er dabei sein Objektiv auch auf die richtigen Leute oder richtet er, ohne zu unterscheiden? Etwa im Fall eines Mannes, Migrant, der Arbeit, aber keine Wohnung hat, unschuldig in eine Razzia gerät und einen Ausweisungsbescheid bekommt, oder im Falle eines Einheimischen, dem wegen „Gefährlichkeit“ der Gebrauch des Internets verboten wird (bei Zuwiderhandeln gebe es Gefängnis). Oder der Einschränkung von Protestaktionen wie der Fahrrad-Demo auf das Grödnerjoch. Der Quästor wollte, dass die Leute auf dem Parkplatz bleiben – was de facto einem Verbot der Demo gleichkommt.
Kurios ist, wie Südtirol Paolo Sartori hinterherläuft, aber in Zeiten wie diesen ist es nicht einfach, die harte Hand zu kritisieren.
Einer, der sich natürlich gerne mit Sartori sehen lässt, ist Marco Galateo (Fratelli d’Italia), Landesrat für Wirtschaft, italienische Schule und italienische Kultur. Er imitiert dessen autoritären Stil. Er hat angekündigt, zwei Pädagogen feuern zu wollen, weil sie an einer nichtgenehmigten Demo teilgenommen hätten. Sie haben, angestellt bei einer Genossenschaft, in der Schule gearbeitet. Jemand, der in der Schule arbeite, argumentiert Galateo, müsse ein Vorbild für Gesetzestreue sein.
Woher weiß Marco Galateo von den Anzeigen, wer hat ihn darüber informiert? Auf welche Gesetze beruft er sich mit seiner Forderung? Gibt es in den Fällen schon eine Verhandlung oder gar ein Urteil? Wäre eine Entlassung überhaupt gerechtfertigt? Und wenn wir schon von Vorbildern reden: Die Teilnahme an einer nichtgenehmigten Demo, sofern sie friedlich verläuft, könnte ja auch ein Akt der Zivilcourage sein. Ein Protest gegen eine Staatsmacht, die das Recht auf freie Meinungsäußerung beschneidet, auf Probleme nur autoritäre Antworten kennt. Rechtsstaatlichkeit, faire Verfahren, sind ebenso hohe Güter wie Sicherheit.
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