Die Diplomatie bietet keinen Ausweg. Der russische Machthaber Putin spielt auf Zeit. Die Bevölkerung in der Ukraine versucht im Krieg einen normalen Alltag zu führen. Fotos und Text: Daniela Prugger
Leitartikel
Silvios Südtirol
Für Silvius Magnago werden derzeit viele Messen gelesen. Zu Recht: Er hat das Land autonom gemacht. Doch sein Südtirol war weder frei noch froh.
Silvius Magnago war ein zäher Verhandler, das war seine größte Tugend. Er hat für Südtirol das Paket ausverhandelt, das es zu einem reichen Land gemacht hat. Mit dem Paket, das 1969 von der SVP nur knapp abgesegnet wurde, kam der Wohlstand. Die Verhandlungen mit dem Staat dauerten zehn Jahre und es gab ein paar Leute, die die Autonomie weg- und die Selbstbestimmung herbeibomben wollten.
Es ist ihnen nicht gelungen. Das ist ein Glück. Auch wenn die Südtirol-Attentäter und deren Erben heute immer noch glauben, sie seien im Recht. Silvius Magnago (1914–2010,
29 Jahre lang Landeshauptmann) war strikt gegen Gewalt. Er glaubte an die Kraft der Worte, er widerstand den Kräften in der eigenen Partei, die einen bewaffneten Kampf wollten.
In der Kunst der Diplomatie ist Silvius Magnago (geprägt vom Zweiten Weltkrieg, in dem er ein Bein verloren hatte) ein Vorbild bis heute – in Zeiten des Krieges, in Zeiten, in denen Politiker die Kunst des Kompromisses nicht mehr beherrschen – oder gar verachten.
Für Silvius Magnago werden derzeit anlässlich seines 15. Todestages viele Messen gelesen, es wird der Weihrauchkessel geschwungen. Wer dabei vorangeht, wer Kult und Verehrung pflegt, lesen Sie in der Titelgeschichte in diesem Heft.
Doch hinter dem Kult, dem Weihrauchnebel, verbirgt sich ein anderer Magnago. So wie er ein Symbol für den Frieden ist als Vater der Autonomie, ist er ein Symbol für ein enges, autoritäres Land, in dem Andersdenkende an den Rand gedrängt wurden – von Magnago, der Südtiroler Volkspartei und den Dolomiten, wo die Ideale der Wehrmachtsgeneration (dazu gehörte auch Magnago) lobgepriesen wurden. Das Sagen -hatten bald die Optanten, die Nazi-Sympathisanten und nicht die Dableiber oder Widerständler.
Das war eben auch ein Vermächtnis von Silvius Magnago: das Einebnen der Geschichte, das Verdrängen. Nur nicht an der Geschichte rühren. So blieben Option und die Verstrickung Südtirols lange ein Tabu für die Südtiroler Geschichtsschreibung. Wer daran rührte, war ein Spalter oder Vaterlandsverräter und wurde gnadenlos bekämpft. So wie die politischen Gegner. Da war zum Beispiel ein Alexander Langer, der versuchte, die Gegensätze zwischen den Sprachgruppen aufzubrechen. Er war der Gegenspieler von Magnago, er träumte von einem Land, das nicht im Gegeneinander lebt, sondern im Miteinander – da-raus ist heute, immerhin, ein gleichgültiges Miteinander geworden. Der Todestag von Alexander Langer ist 30 Jahre her, er hat sich 1995 das Leben genommen.
Silvius Magnago war zweifelsohne ein unbestechlicher Politiker, er hielt nicht Hof, er war eher unnahbar, misstrauisch, auch wenn er mit seinem Charisma Menschen gewinnen konnte. Im Vergleich zu heute war die Politik damals völlig undurchsichtig, Entscheidungen wurden in einem kleinen Zirkel getroffen. Erklärungen gab es kaum.
Das Südtirol von Silvius Magnago war weder pluralistisch noch tolerant. Es war auf Trennung ausgelegt, es deutsch-
tümelte, Debatten wurden unterdrückt. Südtirol war damals ein viel unfreieres Land, für Kulturmenschen ein Horror. Ich möchte dieses Südtirol nicht zurückhaben.
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