Leitartikel

Die „Fratelli“ der SVP

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Die SVP und das Bündnis mit den Rechten. Es zeigt sich immer wieder, mit wem die Partei sich eingelassen hat. Aber hat das auch Folgen? von Georg Mair, Chefredakteur

Was bringt einen Politiker dazu, den nationalsozialistischen Propagandaminister Joseph Goebbels zu zitieren? Es gibt mehrere Erklärungen: Er tut es bewusst, weil er Goebbels bewundert; er weiß nicht, wer Goebbels war; er will die Menschen, die er mit Goebbels in einen Zusammenhang stellt, in Misskredit bringen.

Wir wissen nicht, was den Bozner Gemeinderat Diego Salvadori (Fratelli d’Italia) bewogen hat, Goebbels zu gebrauchen. Anlass war eine Debatte um das Aushängen der Regenbogenfahne, dem Symbol der Schwulen und Lesben und anderer sexueller Minderheiten. Salvadori, Teil der neuen politischen Mehrheit in der Stadt, ist dagegen, wie viele andere Rechtsaußen verliert er die Nerven, wenn er die Fahne in der Öffentlichkeit sieht.

Es kann sein, dass er jetzt gezwungen wird, sein Mandat im Gemeinderat zurückzulegen. Von sich aus hätte er es vermutlich nicht getan, seine ersten Stellungnahmen zeigten wenig Einsicht. Ja, er löschte seinen Post, ja, er bedauerte die Wortwahl, aber damit hat sich nur die Form verändert und nicht der Inhalt. Das Denken, die Aversion gegenüber sexuellen Minderheiten bleibt, sie sollen aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Marco Galateo, Landesrat der „Fratelli“, likte den Post – und verniedlichte das hinterher als Tippfehler. Salvadori steht jetzt in der Kritik – und Galateo fühlt mit.

Für Rechte und Rechtsextreme sind Minderheiten ein beliebtes Angriffsziel. Mit Angriffen, die nicht immer von Hetze zu unterscheiden sind, lässt sich billig Stimmung machen. Die Lage der sexuellen Minderheiten hat sich mit dem Erstarken von rechten (in Teilen rechtsextremen) Parteien verschlechtert (siehe Interview mit Johanna Mitterhofer, Sprecherin der „Regenbogenfamilien“, ab Seite 40).

Mit wem hat die SVP sich da bloß eingelassen?

Die Südtiroler Volkspartei regiert im Land und in der Gemeinde Bozen mit den Fratelli d’Italia. Man hat sich schnell umarmt. Es geht zuerst um Macht und dann erst um Prinzipien. In Bozen gibt es mit Claudio Corrarati einen rechten Bürgermeister, da kann man doch nicht anders, als mit ihm zu paktieren. Im Land war die oberste Priorität die „Wiederherstellung“ der Autonomie. Dafür hat Landeshauptmann Arno Kompatscher seine Abneigung gegen die Fratelli d’Italia über Bord geworfen (siehe Gastbeitrag von Elsbeth Wall-nöfer ab Seite 20).

Kompatscher hat jetzt den Koalitionspartner für das Goebbels-Zitat gerügt und an die „roten Linien“ erinnert (mit Goebbels-Zitaten ist eindeutig eine rote Linie überschritten). Mehr als verbale Abmahnungen wird es aber nicht geben – die Autonomiereform liegt noch in Rom und hat einen zähen bürokratischen Weg vor sich.

Die SVP und die Fratelli werden also weiter paktieren. Vielleicht wird einer der Ihren, der ehemalige Brunecker Bürgermeister Roland Griessmair, ja auch noch Staatssekretär in der Regierung Meloni (siehe Artikel ab Seite 18). Ein höchst merkwürdiger Vorgang. Jetzt sagt man, gut opportunistisch: Wir haben damit nichts zu tun, der Griessmair muss seine Mitgliedschaft in der SVP ruhen lassen – dabei regiert man in Bozen mit den „Fratelli“. Und zuckt gleichzeitig mit den Schultern: Wenn er es doch wird, können wir nichts machen.

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