es ist paradox: Eigentlich sind wir uns alle schon lange einig: Wir wollen mehr öffentlich durchs Land fahren. Weniger Auto, mehr Bus und ...
Leitartikel
Roaaarrrr!
Südtirols Passstraßen werden von einer dröhnenden Blechlawine zugemüllt. Unsere Politik übt sich derweil in scheinheiligen Forderungen. von Karl Hinterwaldner, stellvertretender Chefredakteur
Ziel sei es, dem zunehmenden Spaßverkehr auf Südtirols Passstraßen ein Ende zu setzen. Dafür wollen sich Landeshauptmann Arno Kompatscher und Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider nun einsetzen: „Wichtig ist nur, dass es rechtlich möglich ist.“ Dafür müsse die Straßenverkehrsordnung aber endlich abgeändert werden. Sonst könne man leider nix tun. Gesetz sei eben Gesetz und für die Straße sei der Staat zuständig. Das sagten die beiden Politiker am Rande der Feiern zu 200 Jahren Stilfserjochstraße zu Rai Südtirol.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Seit mehr als 20 Jahren wird über zu viel Verkehr auf den Passstraßen des Landes gestritten. Die Alpenvereine des Trentino und Südtirols forderten die Landesregierungen bereits 2005 dazu auf, dem überbordenden Verkehr auf den Dolomitenpässen Einhalt zu gebieten.
Der Vorschlag damals lautete: In den Sommermonaten solle ein Zeitfenster von 9 bis 15 Uhr eingerichtet werden, während dem der motorisierte Verkehr nur mehr eingeschränkt möglich ist. Fahren dürfen noch Einheimische, Gewerbetreibende und öffentliche Verkehrsmittel.
Zwölf Jahre später schritten der damalige Mobilitätslandesrat Florian Mussner und der damalige Umweltlandesrat Richard Theiner zur Tat: An neun Tagen im Juli und August 2017 wurde das Sellajoch für Fahrzeuge mit Brennstoffmotoren zwischen 9 und 16 Uhr gesperrt. Das Projekt nannte sich „Dolomites Vives“. Zugegeben, das war halbherzig und viel zu wenig, aber es war ein Anfang.
Zwei Jahre später trat der frisch gekürte Mobilitätslandesrat Alfreider wieder fest auf die Bremse. Er ließ „Dolomites Vives“ einstampfen und kündigte an, erheben zu wollen, wie es weitergehen könne. Jetzt sind weitere sechs Jahre vergangen – und wir warten immer noch auf eine Lösung.
Schlimmer noch: Alfreider und Kompatscher zeigen sich zwar verbal aufgeschlossen, schieben die praktische Umsetzung aber auf andere: Rom muss tun, uns sind die Hände gebunden.
Das aber stimmt nur bedingt. Denn in der geltenden Straßenverkehrsordnung heißt es ausdrücklich: In Gebieten, die mit dem Unesco-Welterbe zusammenhängen, können die autonomen Provinzen Trient und Bozen den Verkehr begrenzen – in Absprache mit dem Eigentümer der Straße, der in diesem Fall der Staat ist. Wie auch sonst wäre es möglich gewesen, das Sellajoch im Sommer 2017 an neun Tagen motorenfrei zu halten?
Zudem gibt es noch andere Mittel als Beschränkungen oder Fahrverbote. Zum Beispiel könnte das Land strenge Verkehrskontrollen veranlassen. Mit Blitzern, Lärm- oder Alkoholmessungen. Die Parkplätze entlang der Straßen könnten auf ein Minimum reduziert und mit hohen Stundentarifen versehen werden.
Wie es funktionieren kann, zeigt sich am Pragser Wildsee. Dort werden die Besucherströme gelenkt, es gibt Regelungen für Zufahrten oder Parkplätze.
Auf Südtirols Passstraßen hat unsere Landespolitik bisher nicht viel in diese Richtung unternommen. Wenn es Kompatscher und Alfreider ernst meinen mit ihren Forderungen, sollten sie das schleunigst nachholen. Sonst sind solche Aussagen nicht mehr als scheinheiliges Getue.
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