Leitartikel

Die Fesseln der Vergangenheit

 

Schule braucht eine weitere Perspektive und Mut zu einer echten Veränderung. Sonst macht sie keine Freude. Und ohne Freude kein Lernen.

Die Schule ist eine der Säulen der Gesellschaft. In ihr werden Kinder und Jugendliche zu mündigen Menschen erzogen. So wenigstens der Anspruch. Sie sollen das Handwerk für das Leben lernen: sich Wissen aneignen oder sich wenigstens aneignen, wie man sich Wissen aneignet, Sozialkompetenz, Umgang mit sozialen Medien (taugt in diesem Zusammenhang ein Handyverbot in der Schule?) und ihren Tücken. Und wie unsere Demokratie funktioniert, auch wenn das oft noch eine unterschätzte Materie ist.

Es geht um essenzielle Kenntnisse, um ein Grundvertrauen in die Welt – mit einer Prise Skepsis gegenüber ihren Zumutungen, um ein Grundwissen über die Gesellschaft, um die Fähigkeit, mit den Komplexitäten dieser Gesellschaft umzugehen (dazu müsste sie etwa lernen, wie die Wirtschaft funktioniert).

Es geht darum, Kinder und Jugendliche in einer Krisen-Gesellschaft zu stärken, die verunsichert. Und sie dürfen auch herausgefordert werden. Manchmal traut man ihnen zu wenig zu.

Das ist viel verlangt, das fordert die Eltern genauso wie die Schule. Denn was die Schule nicht sein kann, ist ein Abstellplatz, der Platz, an dem alle Probleme abgeladen werden. Gerade Eltern meinen oft, die Schule wird es schon richten.

Südtirols Schule hat eine taugliche Struktur. In ihr arbeiten viele engagierte Menschen, die dafür zu wenig Geld kriegen. Lehrer:in sein ist eine Tätigkeit, die fordert, die aufwendig ist, wenn man diesen Job mit Leidenschaft betreibt. Es ist eine Arbeit, die – trotz oder vielleicht gerade wegen der Digitalisierung – mit sehr viel Bürokratie verbunden ist, zu vielen unnützen Sitzungen, zu viel Schreibarbeit. Warum sind Landes- und Schulverwaltung nicht imstande, das zu lösen?

Schule braucht eine weitere Perspektive und Mut zu einer echten Veränderung (siehe Titelgeschichte in diesem Heft) – viel zu oft schleppt man die Probleme der Vergangenheit mit sich. Das macht viele wütend. Die Politik und die Gesellschaft müssen also klären, wie die Schule sein soll. Wo muss sie sich öffnen, welche rigiden Strukturen gehören gesprengt, wo gehört der Unterricht umgekrempelt? Er entfaltet sich viel zu oft noch entlang der Klassenstrukturen und nicht entlang von Fähigkeiten.

Lehrpersonen müssen für ihre Arbeit besser bezahlt werden – die niedrigen Löhne sind ein Problem nicht nur in der Schule. Gleichzeitig kann man von ihnen auch Flexibilität verlangen.

Um der Wirklichkeit der Schule gerecht zu werden, braucht es neue Schulmodelle als Angebot, als Antwort auf die Vielfalt der Gesellschaft. Und keine Sonder-klassen, nicht für Menschen mit Behinderung, nicht für Migranten, nicht für schwache Schüler:innen.

Manche tun noch so, als würden wir in einer homogenen Welt leben, oder träumen davon, wieder alles schön zu trennen. Wetten, dass in Bozen vor Schulbeginn wieder das Stück inszeniert wird: zu viele Migranten und italienischsprachige Kinder in der deutschen Schule?

Schule muss in Bewegung kommen – auch im buchstäblichen Sinn. Um zu fordern (ein bisschen aus der Mode) und zu fördern, braucht es die nötigen Ressourcen.

Schule muss Freude machen, doch im Moment ...

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