Leitartikel

Hundskompliziert

 

Die Hundesteuer bewegt die Politik. Mehr als anderes. Das ist grotesk und ernst zugleich. Hat sie nichts anderes zu tun?

Die Südtiroler Politik ist auf den Hund gekommen. Landesrat Luis Walcher (zuständig für Landwirtschaft und Tourismus), von dem man sonst nicht viel hört, will eine Hundesteuer einführen. Dazu haben jetzt alle eine Meinung, im Landtag etwa rühren sich Leute, von denen man sonst nicht viel hört. Es wird geredet, als ginge es nicht um eine Steuer –
100 Euro im Jahr –, sondern um leistbares Wohnen, die Hütte von Landesrat Peter Brunner oder den Krieg in der Ukraine.
Wenn es um Hunde geht, werden plötzlich alle aktiv, dann kommt der Landtag, ein eher schläfriges Organ, ins Diskutieren und Polemisieren. Dann werden Emotionen wach. Dann wird etwa auch Manfred Pinzger, Präsident des HGV, aktiv. Er ist natürlich gegen eine Hundesteuer, denn das würde den Südtirol-Urlaub noch teurer machen – plus 1,50 Euro für den Touri-Hund pro Tag –, als er ohnehin schon ist. Dann kommt der Hund nicht mehr und auch nicht der Gast.
In Südtirol gibt es um die 40.000 Hunde – mehr als Schafe (circa 36.000) oder Ziegen (circa 26.000), Hundebesitzer sind also eine Lobby. Die Politiker, die Hundehalter:innen vor einer Steuer bewahren, dürfen also bei einer Wahl mit Stimmenzuwachs rechnen. Wer Hundehalter:innen aufschreckt, riskiert einen Shitstorm. Wir haben das in der Redaktion nach einem Leitartikel unseres Kollegen Norbert Dall’Ò erlebt: die meisten Zuschriften überhaupt – damals kamen Briefe noch per Post.
Die Affenliebe zu den Hunden ist groß. Hunden und anderen Haustieren (ja selbst Bären, diesen Kuschelviechern) begegnet man mit der gleichen Empathie wie Menschen. Hunde sind wie Kinder. Der Hund wird immer verteidigt. Der Hund ist immer nett, selbst wenn er einen anknurrt. Wenn der Hund auf den Gehsteig kackt, gibt es viele Frauchen und Herrchen, die den Dreck wegräumen. Aber manche machen es eben nicht. Dann muss die Stadt das tun und wir Steuerzahlenden dafür aufkommen. Da wäre dann eine Hundesteuer sinnvoll, für die Kosten, die das Tier für die öffentlichen Kassen verursacht. Es gibt nichts Ärgerliches, als den Dreck ins Haus zu tragen oder von der Sohle kratzen zu müssen.
Die erregte Diskussion um die Hundesteuer hat eine groteske und eine ernste Komponente. Sie sind jedoch nur zwei Seiten einer Medaille.
Grotesk ist die Aufmerksamkeit, die das Thema in der Politik bekommt, sogar der Koalitionsausschuss soll einberufen werden – er regelt die Unstimmigkeiten in der Mitte-rechts-Regierung im Land. Haben die sonst nichts zu reden und zu tun?
Doch was auf der einen Seite lächerlich ist, ist auf der anderen Seite ernst. Juristinnen müssen sich mit einem Gesetzentwurf zur Hundesteuer plagen, nachdem sie sich schon mit dem DNA-Test für Hunde abgemüht haben. Arnold Schuler wollte, als er noch Landesrat war, dass Hundehalter:innen die DNA ihrer Hunde registrieren lassen. Damit sich ermitteln lässt, welcher Hund den Haufen im öffentlichen Raum hinterlassen hat. Hundskompliziert. Also lieber die Steuer, die das ungeliebte DNA-Verzeichnis ersetzen soll.
Die Politik im Allgemeinen, die Landesregierung im Besonderen und die Landesverwaltung haben offenbar die Energie und die Zeit, sich mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen. 

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