Seit fast zwei Jahren regiert die SVP mit den Fratelli d’Italia. Dafür zahlt sie einen hohen Preis. Eine Analyse zum 80. Geburtstag.
Leitartikel
Ein Schadenersatz, der schadet
Nun erhalten unsere Top-Manager schon Geld für einen Job, den sie nicht bekommen haben. Das ist kein gutes Signal.
Irene Pechlaner ist Direktorin des Gesundheitsbezirks Meran. Als solche verdient sie nicht schlecht. Gemäß Beschluss des Sanitätsbetriebs hat sie Anrecht auf eine „alles umfassende Bruttojahresentschädigung von 165.000 Euro“; dazu kann ein Aufschlag von 15 Prozent kommen, sofern die „gesetzten Ziele positiv bewertet“ werden; sowie „ein Entgelt bis zu 10.000 Euro“ für besondere Projekte.
Das kann sich sehen lassen. Trotzdem strebte sie in Vergangenheit nach noch Höherem – so auch nach dem Posten der Generalsekretärin des Landtags. Doch sie unterlag, ihr wurde Florian Zelger vorgezogen. Der ist seit 2014 im Amt. Alle fünf Jahre wird der Posten neu vergeben. 2024 haben sich drei Personen mit den vermeintlich notwendigen Voraussetzungen darum beworben: Florian Zelger, Irene Pechlaner und Timon Gärtner (Direktor des Landesstatistikinstituts Astat).
Damals entschied sich das Landtagspräsidium für Florian Zelger. Er hatte den Job bereits jahrelang erledigt, Pechlaner und Gärtner hätten sich erst einarbeiten müssen. Von dem her eine nachvollziehbare Entscheidung.
Irene Pechlaner war damit nicht einverstanden. Sie zog vor das Arbeitsgericht mit dem Argument, Zelger würde nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügen. Er komme nicht auf die erforderlichen acht Jahre in einer Führungsposition. Dies setzt aber das Führungskräftegesetz des Landes voraus.
Florian Zelger bringt es auf sieben Jahre und zehn Monate. Für das Arbeitsgericht war dies Grund genug, Pechlaner recht zu geben – und ihr deswegen einen Schadenersatz zuzusprechen. Insgesamt, so steht es im Urteil, müssen Landtag und Land ihr 240.000 Euro zahlen. Wegen eines Schadens „aus entgangener Chance“ (il danno da perdita di chance).
An dieser Stelle sei festgehalten: Diese Überlegungen richten sich nicht gegen Irene Pechlaner. Es geht vielmehr darum, darüber nachzudenken, ob solche Urteile richtig und nachvollziehbar für die Menschen sind. Daher beschränken wir uns an dieser Stelle auf zwei Kandidaten, A und B.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Kandidat B, der bereits einen gut dotierten Posten in der öffentlichen Verwaltung besetzt, bekommt Schadenersatz zugesprochen für eine entgangene Chance auf einen Posten. Das ist kein gutes Signal an die Gesellschaft. Das ist ein Schadenersatz, der schadet. Denn man könnte in dem Fall durchaus sagen: Kandidat A hatte für den Posten nicht die notwendigen Voraussetzungen. Also muss er gehen. Dafür erhält Kandidat B den Job zugesprochen. Passt.
Kandidat B ist in dieser Zeit kein großer Schaden entstanden, und wenn, dann sicher nicht in dieser Höhe. Denn er geht ja einem geregelten Job nach, samt sehr gutem Einkommen. Der neue Job hätte vielleicht ein noch höheres Einkommen gebracht (der Posten des Generalsekretärs im Landtag ist mit 240.000 Euro dotiert). Aber mit dem Job wäre (theoretisch zumindest) auch mehr Arbeit und mehr Verantwortung verbunden gewesen.
Kandidat B hat es sich allerdings einfach gemacht. Er hat weder die Aufhebung der Ernennung von Kandidat A für den Posten gefordert. Noch hat er den Landtag dazu gemahnt, das Verfahren neu aufzunehmen. Kandidat B verlangt nur eines: Geld. Das Arbeitsgericht hat das für richtig befunden. Das sollte uns zu denken geben. Das Land Südtirol und der Landtag wollen das erstinstanzliche Urteil jedenfalls so nicht hinnehmen. Beide Institutionen kündigen Berufung an.
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