Gottfried Ugolini hat sich in der Kirche viele Jahre für die Betroffenen von sexuellem Missbrauch eingesetzt. Nun legt er seine Ämter nieder. Auch weil es Kritik an ihm gibt.
Leitartikel
Arroganz kann sie immer noch
Die SVP hat einen Plan für die Stärkung der deutschen Sprache in der Schule. Die Partei tut immer noch so, als könnte sie allein für alle sprechen.
Der Erwerb der Sprache ist in Südtirol ein wunder Punkt. Er hat viel mit Ängsten zu tun, mit Vorurteilen, mit Misstrauen, mit Ideologie. Etwa mit der Meinung, dass die deutsche Sprache beschädigt wird, wenn sie in der Schule auf eine andere trifft. Dabei ist sicher, Sprachen fördern einander, wenn es damit in Schule – und Familie – einen richtigen Umgang gibt.
Es ist eine Südtiroler Urangst, die Sprache zu verlieren. Es ist die Angst, die die Südtiroler Volkspartei immer wieder heraufbeschwört, mit der sie Politik macht. Bis heute.
Jetzt wieder, mit ihrem Plan für die Stärkung der deutschen Sprache in den Ballungszentren, in Bozen, Meran, Salurn oder Leifers. Dort wächst eine Gesellschaft heran, die nicht mehr monoton, nicht mehr einsprachig ist. Damit muss man umgehen, auch wenn das Unsicherheit erzeugt. Der gesellschaftliche Wandel lässt sich nicht mehr rückgängig machen, wenn man nicht gegen Menschenrechte, Menschenwürde und Verfassung verstoßen will.
Die Lösung kann also nicht sein, Kinder zu trennen (und ihren Eltern damit zu sagen, ihr gehört nicht dazu), es geht aber auch nicht, die Dinge laufen zu lassen, es hinzunehmen, dass in manchen deutschsprachigen Schulen kaum mehr deutschsprachige Kinder in den Klassen sitzen.
Die SVP hat jetzt einen Sprachplan genehmigt, der erst in ein Gesetz und in konkrete Maßnahmen gefasst werden will. Dieser Plan sieht etwa verpflichtende Sprachkurse im Sommer und an Nachmittagen vor, er will die Klassen nach Sprachkenntnissen teilen, die Eltern zur Mitwirkung verpflichten, den Sprachstand schon im Alter von vier Jahren erheben, Eltern und Schüler:innen darauf verpflichten, bis zum Abschluss der Grundschule im gleichen Schulsystem zu bleiben.
Bei diesem Plan gibt es viele kritische Punkte. Wie lässt sich etwa bei kleinen Kindern der Sprachstand erheben, woher kommen die Lehrpersonen für den zusätzlichen Sprachunterricht, ist es sinnvoll, Eltern, die eh schon in prekären Verhältnissen leben, Sozialleistungen zu streichen, wenn sie gegen ihre „Mitwirkungspflicht“ verstoßen? Und entspricht es der Verfassung, Schüler:innen in Kindergarten und Grundschule zu der gleichen Sprache zu zwingen?
Der schöne Plan könnte schnell verblassen, wenn er Gesetz werden muss.
Was auffällt, ist, dass die SVP auch hier so tut, als würde sie die absolute Mehrheit im Landtag stellen. Zur Erinnerung: Sie stellt 13 von 35 Landtagsabgeordneten, sie muss mit vier anderen Parteien koalieren (Freiheitliche, Fratelli d’Italia, Forza Italia, Lista Civica). Der Sprachplan wurde nur in der SVP besprochen und beschlossen. Was sagen die Koalitionspartner dazu, was sagen Eltern, Direktor:innen und Schüler:innen dazu? Es ist ein Plan, der für 35 Prozent der Bevölkerung gemacht ist.
Arrogant kann sie immer noch sein, die SVP.
Wenn es um Spracherwerb geht, liegt alles schon lange auf dem Tisch, die SVP erfindet das warme Wasser. Wie in der Umweltpolitik, wo man das gleiche Schauspiel beobachten kann. Viel Wissen, was zu tun wäre. Und wenig Tun.
Die SVP notiert genau, was die deutsche Sprachgruppe in Bozen bedrängt – ihr Sprachplan ist das Ergebnis davon. Vielleicht könnte man auch darauf hören, was 70 Prozent der Südtiroler:innen laut „Sprachbarometer“ befürworten: eine mehrsprachige Schule auf freiwilliger Basis.
Das freilich wäre eine Novität.
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