Panorama

Ich mach mir die Welt …

Aus ff 21 vom Donnerstag, den 24. Mai 2018

Kommentar: Pippi Langstrumpf gestaltet ihr Leben, wie es ihr gefällt. So eine Welt ist schön, in der alles ganz einfach erklärt werden kann. Ob es nun stimmt oder nicht. Was macht das da schon für einen Unterschied, ob man behauptet, 2 mal 3 macht 4, oder der Grabgestalter auf dem Friedhof sei ein Obdachloser.
Die Geschichte ging so: Ein Handwerker sollte ein Familiengrab auf dem Bozner Friedhof in Oberau neu gestalten. Um an den unteren Teil des Grabsteins zu gelangen, breitete er Decken aus, legte sich nieder und begann mit der Arbeit. Dann kam jemand vorbei, fotografierte ihn heimlich aus der Ferne, lud das Bild auf Facebook und schrieb: Jetzt kampieren sie schon auf dem Friedhof. Die Kommentare überschlugen sich, der Post wurde geteilt, das Foto ging durch die Decke. Facebook eben.
Auf diese Welle von Fake News sprangen auch Medien auf. Zweieinhalb Stunden später veröffentlichte ­Suedtirolnews.it einen Artikel über den „offensichtlich obdachlosen Mann“. Zwei Tage später erschien in den Dolomiten ein Artikel über den „Obdachlosen“, der „angeblich“ sein Lager auf dem Friedhof aufgeschlagen hat. Selbst einen mit Anzeige drohenden Bürgermeister Renzo Caramaschi ließen sie zu Wort kommen.
Kommunikation hat den Vorteil, dass man dafür keine schweren Geräte braucht, man muss nicht einmal immer tief bohren. Ein Anruf beim Amt, am Friedhof vorbeifahren und selbst prüfen – kann man von Journalisten erwarten. Oder wofür werden wir bezahlt? 

Dunja Smaoui

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