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Wirtschaft
Die Not ohne Gäste
Aus ff 12 vom Donnerstag, den 19. März 2020
Die Zwangsschließung von Hotels und Gastbetrieben, eine Ostersaison, die ausfällt und Schulden, die ohne Einnahmen nicht zu begleichen sind. Südtirols Tourismusbranche zwischen Ohnmacht und Verzweiflung.
Markus Huber
Hotel My Arbor ****S, St. Andrä/Brixen
Die Krise trifft uns alle. Wir haben in den ersten zwei Jahren seit Eröffnung unseres Hotels gut gearbeitet, sodass wir deswegen nicht sofort in eine existentielle Krise geraten. Aber es geht auch um die Angestellten. Wir haben im Hotel rund 85 festangestellte Mitarbeiter. Nun gibt es für sie zwar die Lohnausgleichskasse, doch die entspricht natürlich nicht einem regulären Gehalt. Dadurch, dass wir als Hotel durchgehend offen haben – oder besser: wollten – können wir unsere Mitarbeiter nicht einfach abmelden und in die saisonbedingte Arbeitslosigkeit schicken. Als Jahresbetrieb haben wir unbefristete Arbeitsverträge.
Für viele ist die Lage jetzt mit dramatischen Einschnitten verbunden, wenn zum Beispiel Wohnbaudarlehen zu bedienen sind oder die Mitarbeiter anderweitig Schulden haben. Die Lage ist schon dramatisch.
Ich hoffe sehr, dass wir das bald überstehen und – wer weiß – vielleicht sogar gestärkt aus der Krise herauskommen. Mit gestärkt meine ich, dass die Menschen lernen, das, was sie haben, mehr zu schätzen, dass sie zufriedener werden. Das würde uns gut tun, angesichts der Entwicklung der letzten Jahre, angesichts der gestiegenen Ansprüche und dass man es bald niemand mehr Recht machen kann. Man wird wieder zu schätzen lernen, wenn Touristen ins Land kommen. Das scheint mir zuletzt nicht mehr der Fall gewesen zu sein, ja man hat fast eine Anti-Tourismusstimmung spüren können, dabei ist der Tourismus der Wirtschaftsmotor im Lande.
Wir hatten bis zu dem Zeitpunkt, als das Robert-Koch-Institut Anfang März Südtirol zum Risikogebiet erklärt hat, fast alle unserer 104 Zimmer belegt – nicht zuletzt, weil wir etliche Einheimische unter unseren Gästen hatten. Danach gab es fast nur noch Stornierungen. In zwei, drei Tagen gab es Absagen im Ausmaß von mehreren Hundertausend Euro. Um nicht missverstanden zu werden: Wir standen von Anfang an zu den Maßnahmen, die Staat und Land gegen das -Coronavirus ergriffen haben. Jetzt braucht es Unterstützungsmaßnahmen, vor allem eine Hilfe für die Mitarbeiter.
Nun, das Frühjahr ist gelaufen, aber wenn das Sommergeschäft zur Hälfte gut läuft und das Herbstgeschäft hoffentlich wieder wie gewohnt, kommen wir mit einem blauen Auge davon. Nun heißt es, die Rückzahlungen der Betriebe einfrieren und Einsparungen vornehmen, wo nur möglich.
Als Tourismusverein Brixen, dessen Präsident ich bin, haben wir beschlossen, die Pflichtbeiträge für unsere Mitglieder für das aktuelle Jahr zu halbieren. Ist zwar nur ein kleines Zeichen, doch gerade Zeichen machen jetzt viel aus: Es geht um Solidarität, darum, sich gegenseitig zu helfen.
Franz Ladinser
Hotel Grauer Bär ****S, Innichen
Wir haben in unserem Hotel 58 Betten, im Winter beschäftige ich rund 15 Mitarbeiter, im Sommer sind es mehr. Ich musste sie mit der Schließung des Hotels jetzt natürlich abmelden. Mit dem Zeitausgleich haben sie zum Glück nur eine Woche in dieser Wintersaison verloren, denn wir hätten am 23. März ohnehin unsere Tore geschlossen. Bis Ostern geöffnet haben im Hochpustertal nur ganz wenige Hotelbetriebe. Normalerweise hätten wir geplant, das Hotel zu Ostern wieder zu öffnen, doch ob das möglich sein wird, steht in den Sternen.
Natürlich fehlt den Hotels jetzt die Liquidität aufgrund der entgangenen Einnahmen, mit der Folge, dass viele von uns Fälligkeiten nicht bedienen können. Unsere Regionalbanken haben zum Glück signalisiert, die Fälligkeiten für Darlehensrückzahlungen aufzuschieben – übrigens im eigenem Interesse, denn „schlechte“ Kreditnehmer wirken sich auch auf die Bonität der Banken aus.
Man glaubt immer, dass der Tourismus ein Selbst-läufer ist, doch das stimmt nicht. Die Hotellerie ist massiv mit Fremdkapital belastet. Es gibt natürlich große Betriebe mit einer hohen Auslastung, so, dass sie eine vergleichsweise hohe Liquidität erreichen, doch der Großteil der Betriebe muss schauen, die Schulden zur Zufriedenheit aller zu bedienen. Das ist kein Spaziergang.
Christian Leitner
Schutzhaus Marteller Hütte, Martell
Wir mussten wie alle Beherbergungsbetriebe am Montag vergangener Woche von einem Tag auf den anderen schließen. Wir hatten gerade mal drei Wochen geöffnet, mir fehlt fast die ganze Wintersaison. Keine Ahnung, wie ich nun die Pacht für die Hütte bezahlen soll. Wir stehen vor einem existentiellen Problem. Laut Vertrag müsste uns der Alpenverein Südtirol als Besitzer der Hütte entgegenkommen, weil wir eine sogenannte Umsatzpacht bezahlen, das heißt, dass der Pachtzins sich am Umsatz orientiert: Wenn wir viel weniger Einnahmen haben, müsste sich das entsprechend auswirken.
Wir hatten drei Angestellte, ich war kurz davor, eine vierte Person einzustellen. Ich musste die Mitarbeiter jetzt natürlich entlassen. Zum Glück hatten sie Verständnis für die Situation. Derzeit sitzen wir den ganzen Tag vor dem Computer und müssen den Gästen, die reserviert haben, absagen.
Wir hoffen, dass wir im April doch noch öffnen können und vielleicht bei entsprechender Schneesituation bis in die Maitage hinein arbeiten können. Wir wissen jedenfalls derzeit nicht, was wir tun können, wie es weitergeht. Jetzt eine andere Arbeit zu finden, ist für mich schwierig – es darf ja noch kaum jemand arbeiten gehen.
Ich bin gelernter Handwerker und die Handwerksbetriebe müssen ja auch zusperren. Außerdem, wo soll man noch hingehen arbeiten, wenn die meisten Betriebe geschlossen haben und sich niemand traut, Arbeiten in Auftrag zu geben und zu investieren? Wir erhoffen uns nun von der Landespolitik schon eine Unterstützung.
Helga Stolz
Haus Stolz, Privatzimmervermietung, Unterrain/Eppan
Wir hatten bis zur Zwangsschließung zu Beginn vergangener Woche nur sehr wenige Gäste im Haus. Als Privatzimmervermieter haben wir – zumindest außerhalb der Saison – mehr Durch- oder Handelsreisende als Gäste, sie bleiben nur ein, zwei Nächte. Diejenigen Gäste, die reserviert hatten, haben uns schon im Vorfeld abgesagt. Wir haben keine Stornogebühren berechnet. Wir vermieten jetzt seit 40 Jahren Privatzimmer, aber so etwas hat man noch nicht erlebt.
Man muss die Situation jetzt annehmen, wie sie ist, da müssen wir durch. Wir haben zum Glück in letzter Zeit keine Investitionen getätigt, ich habe keine Schulden, die ich begleichen muss und ich habe keine Angestellten. Ich habe ja nur ein paar Zimmer, die ich vermiete, bin sozusagen meine einzige Angestellte. Wäre diese -Coronakrise nicht ausgebrochen, dann wären wir mit dem kommenden Jahr wahrscheinlich die Erneuerung unserer Bäder angegangen. Zum Glück haben wir damit noch nicht begonnen.Sollte diese Ausnahmesituation länger anhalten, dann muss ich mir halt eine Arbeit suchen.
Nun merken auch jene Leute, die immerzu auf den Tourismus schimpfen, wie sehr er auch die anderen Wirtschaftsräder antreibt: Wenn der Tourismus nicht läuft, laufen sehr viele andere Bereiche auch nicht mehr. Vielleicht öffnet diese Situation manchen die Augen.
Elke Chizzali
Hotel Krone ***S, Dorf Tirol
Vor drei Wochen haben wir unseren Gästen noch geschrieben, dass wir unser Hotel wie gewohnt zu Ostern öffnen. Unsere reguläre Saisonseröffnung wäre der 8. April gewesen. Jetzt schreiben wir, dass wir hoffen, ab Mai unsere Tore zu öffnen. Allerdings bin ich skeptisch, ob das gelingen wird. Wir haben zum Glück treue Gäste, die auf jeden Fall kommen wollen. Wir verfügen über 48 Betten im Hotel und 12 Betten im Appartementhaus.
Wir versuchen den Schaden zu begrenzen, indem wir uns keine Personalkosten aufbürden, wir haben in der Regel 7 bis 8 Angestellte, aber in dieser Situation können wir natürlich niemand anstellen. Unseren Mitarbeitern haben wir geraten, weiterhin auf der Arbeitslosenliste für Saisonskräfte zu bleiben, in der Hoffnung, dass der Staat unterstützend eingreift. Das wird er auch müssen, weil die meisten Saisonskräfte jetzt gar keine Arbeit bekommen.
Bei den Banken müssen wir uns um eine Einfrierung der Ratenzahlungen bemühen, denn es ist absehbar, dass wir die nächsten Kreditraten nicht vereinbarungsgemäß begleichen können. Ein Problem, das die ganze Branche betrifft, denn die meisten Hotelbetriebe arbeiten mit Schulden. Hier wird es eine südtirolweite Lösung brauchen, wenn nicht ein großer Teil der Wirtschaft den Bach hinunter gehen soll. Zum Glück haben wir heuer im Winter nur kleine Investitionen getätigt.
Wir investieren jedes Jahr zwischen 100.000 und 200.000 Euro in Erneuerungen, Reperaturen und Verbesserungen – das ist ein Durchschnittswert für Betriebe unserer Größenordnung. Ein Jahr mal überhaupt nicht zu investieren geht fast nicht mehr, weil die Gäste immer etwas Neues wollen.
Das Positive an der ganzen Coronakrise ist, dass wir uns alle wieder auf das Wesentliche besinnen und grundsätzliche Fragen stellen wie: Was braucht es wirklich, um ein zufriedenes und glückliches Leben zu führen? Mein Mann und ich kalkulieren immer sehr gewissenhaft, welche Investitionen wir tätigen können, ohne uns übermäßig zu verschulden oder darauf zu hoffen, dass wir immer ein volles Haus haben. Das tun nicht alle in der Branche. Manchmal kommt mir vor, als wollten viele unendlich weiterwachsen, koste es was es wolle.
Wenn man hört, dass südtirolweit noch immer große Hotels auf der grünen Wiese entstehen sollen, gerade so, als würde man über unbegrenzte Ressourcen verfügen, dann frage ich mich schon, wo das noch hinführen soll.
Diese Krise sollte uns allen ein Warnzeichen sein.
Notiert von Markus Larcher
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