Wirtschaft

Der Bauer bringt’s

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 16. April 2020

Versuch, den Schaden zu minimieren: Immer mehr Bauern liefern direkt frei Haus.
Versuch, den Schaden zu minimieren: Immer mehr Bauern liefern direkt frei Haus. © Alexander Alber
 

Geschlossene Bauernmärkte, ­Gastronomie und Tourismus im ­Stillstand: Wie die ­Bauern auf ihrer Ware sitzen bleiben – und nach neuen ­Vertriebswegen suchen.

Es war schon alles vorbereitet. Die Kisten und Kartone voller Gemüse waren im Auto verstaut und standen für den Transport bereit. So wie immer, wenn tags darauf Gemüse­bäuerin Antonia Egger Mair sich frühmorgens mit ihrer Ware zum Bauernmarkt aufmacht. Doch der Tag danach – der vergangene 11. März – war kein gewöhnlicher Tag. Denn mit ihm kam der Stillstand übers Land. Auch den bäuerlichen Direktvermarktern wurde im Zuge der restriktiven Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie über Nacht der Marktzugang versperrt: die Bauernmärkte geschlossen, Gastronomie und Hotellerie im Zwangsurlaub, der Ab-Hof-Verkauf nicht mehr praktikabel.

Seitdem ist die Welt für Antonia Egger, die ehrenamtlich auch die Funktion der Landesbäuerin ausübt, eine andere. So wie für rund 600 andere bäuer­liche Direktvermarkter im Lande. Vor allem Bauern, die frisches Gemüse oder andere verderbliche Ware anbieten, traf es mit voller Wucht: Sie blieben und bleiben großteils auf ihrer Ware sitzen. Nur mühsam will es den Direktvermarktern gelingen, in der aktuellen Situation wieder Tritt zu fassen. Immerhin: Immer mehr Bauern sind dabei, sich neue Vertriebswege zu eröffnen.

„Es ist jetzt eine sehr, sehr schwierige Situation, die unsere bäuerlichen Direktvermarkter durchleben. Und sie sind nicht die einzigen“, sagt Hans J. Kienzl, Leiter der Marketing-Abteilung im Südtiroler Bauernbund.

Südtirols Landwirtschaft ist von der Coronakrise in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Während es in einigen Sektoren bisher kaum Auswirkungen gibt, droht in anderen Bereichen ein „katastrophales Jahr“, wie es im Bauernbund heißt. Neben den geschlossenen Hof- und Buschenschankbetrieben ist derzeit auch der Urlaub auf dem Bauernhof – so wie der ganze Tourismussektor – in den künstlichen Tiefschlaf versetzt worden. Selbst wenn sich die Situation ab Mai etwas normalisieren sollte, geht über 2.500 landwirtschaftlichen Betrieben eine wichtige Einnahme unwiederbringlich verloren.

Während die einen gar keine Einnahmen generieren können, suchen andere verzweifelt nach Möglichkeiten, nicht auch noch auf den Spesen sitzen zu bleiben, die sie in ihre erste Ackerernte oder ihre veredelten Produkte investiert haben.

„Wir bieten mit unserem Frühjahrs­gemüse extrem frische Ware an, die, wie der Schnittsalat, zum Teil gar keine längere Lagerung zulässt und auch für den Zwischenhandel nicht ideal ist“, sagt Egger Mair. Außerdem: Werden die Produkte an den Zwischenhandel verkauft, sprich an Lebensmittelgeschäfte, geht ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wertschöpfung verloren. Dann ist es auch aus mit der Direktvermarktung.

Deshalb suchen Antonia Egger Mair und ihr Mann auf ihrem Obermaurerhof in Jenesien nach Auswegen, zumal der Gemüseverkauf die einzige Erwerbsquelle am Hof ist.

„Wir versuchen nun direkt an unsere Kunden zu liefern, doch das ist mühevoller, zeitaufwändiger und kostspieliger“, sagt Egger Mair. So könne man es sich nicht leisten, wegen ein paar Salatköpfen und ein paar Bund Radieschen stundenlang in der Gegend herumzufahren.

Im persönlichen Lieferservice sehen nun etliche jener rund 100 bäuerlichen Direktvermarkter im Lande, die auf den Bauernmärkten mit eigenen Verkaufsständen konstant präsent sind, einen Ausweg aus der Misere. Doch der Kundenstock außerhalb des Bauernmarktes muss erst einmal aufgebaut werden. Außerdem kann der Lieferservice zum Kunden für Direktvermarkter in entlegenen Gegenden schnell zur logistischen Herausforderung werden.

Aber selbst wenn es gelingt, sich mit anderen Produzenten den Lieferservice zu teilen, gilt es einen anderen Aspekt zu beherzigen: So ist es für den einzelnen Produzenten in einer solchen Liefergemeinschaft wenig verkaufsfördernd, wenn alle die gleiche Ware anbieten. Zum einen gilt es, sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen, zum anderen ist ein differenziertes Angebot für (neue) Kunden attraktiver.

Das weiß auch Christoph Tribus. Für den Bergbauer, der auf 1.300 Metern bei Vellau hoch über Algund hauptsächlich Heumilchkäse sowie Fleischprodukte produziert, erscheint Einzelkämpfertum in diesen schwierigen Zeiten wenig zielführend. Gemeinsam mit einem Nachbarbauer hat er sich schon vor geraumer Zeit in einer Liefergemeinschaft zusammengefunden, um sich beim langen Weg ins Tal abzuwechseln; auch das Angebot haben sich die beiden aufgeteilt: Der Nachbar setzt auf veredelte Ziegenmilchprodukte, Tribus selbst veredelt in seiner Hofkäserei die Kuhmilch.

Konnte sich der Bauer vom Hauserhof noch vor kurzer Zeit seine Kunden aussuchen, ist er nun froh, seine Ware großteils in der Detailhandelsgesellschaft Bio-Express in seiner Gemeinde absetzen zu können. Dass mit dem Zwischenhandel auch seine Gewinnspanne schrumpft, muss er dabei in Kauf nehmen: „Bei acht Kühen habe ich am Ende der Woche immerhin 50 bis 60 Kilo Käse beisammen, die erst einmal verkauft werden müssen“, sagt Tribus. In der gegenwärtigen Situation, so ist er überzeugt, müsse man für alles dankbar sein, was sich anbiete. Zur gegenwärtigen Situation der bäuerlichen Direktvermarkter meint der Bauer vom Hauserhof: „Wir bewegen uns auf dünnem Eis.“

Zu einer Zweckgemeinschaft haben sich auch vier Bauern im Ultental zusammengeschlossen. Zusammen bieten sie ein breites Sortiment an Produkten an, die sie frei Haus liefern. Vom Vollkornbrot und der Teemischung bis zum Bauernspeck, vom Naturjogurt und Käse bis zum Fruchtaufstrich liefert man bis zum Taleingang in Lana gar ohne Versandspesen. Der Bauer bringt`s, nennt sich ihre Initiative; die Produktpalette ist auf einer gleichnamigen Homepage einsehbar, die man in Eigenregie erstellt hat.

Auf die missliche Lage der Direktvermarkter hat man seit gut einer Woche beim Südtiroler Bauernbund reagiert. So hat man für Mitgliedsbetriebe der Marke Roter Hahn ein eigenes Portal eingerichtet (http://www.roterhahnliefert.it). Rund 40 Betriebe bieten darauf insgesamt 15 Produktgruppen an. Gibt man im Suchfeld seinen Wohnort ein, erscheinen mit einem Klick alle Direktvermarkter aus dem Umfeld, die ins Haus liefern.

„Wir wollten unseren Betrieben schnell ein Verkaufsinstrument bieten“, sagt SBB-Marketingleiter Kienzl. Dass man dabei nur auf die eigene Marke Roter Hahn gesetzt hat, ist für ihn unter anderem auch aus Gründen der Qualitäts­sicherheit naheliegend. „Sonst“, so sagt er, „hätte man ein anderes Tool einrichten müssen“.

Beim Bauernbund drängt man in Hintergrundgesprächen derweil darauf, dass die Bauernmärkte im ganzen Land sobald als möglich wieder öffnen. Dass diese überhaupt geschlossen haben, kann man im SBB nicht nachvollziehen. Immerhin würden dort Lebensmittel verkauft, außerdem könnten auf Marktplätzen die Sicherheitsbestimmungen besser eingehalten werden als in Geschäften.

Dieser Meinung ist man auch in Eppan, wo derzeit der einzige Bauernmarkt des Landes wöchentlich stattfindet. „Wir haben viel Platz und ein Gemeinde­polizist wacht darüber, dass die Sicherheitsabstände an und zwischen den Ständen eingehalten werden“, sagt Eppans Bürgermeister Wilfried Trettl. Der Druck auf seine Kollegen, die Märkte in ihren Gemeinden wieder zu öffnen, dürfte in den nächsten Tagen empfindlich steigen. Denn: Es sind die Bürgermeister, die auf ihrem Gemeindegebiet über die Öffnung oder die Schließung von Märkten entscheiden.

Bauernmarkt hin oder her – für Thomas Thaler vom Monstrolhof in St. Andrä bei Brixen ist diese Diskussion wenig relevant. „Jeder von uns Bauern und Direktvermarktern hat eine andere Situation zu bewältigen“, sagt er. Der Vollerwerbsbauer hat sich mit seiner Familie auf den Gewürzkräuteranbau für die Gastronomie spezialisiert. Weil es derzeit keine Absatzmöglichkeiten gibt, musste er seine ganze Ernte aus den Gewächshäusern entsorgen. Seine Angestellten sind im Lohnausgleich.

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  • Christoph Tribus

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