Wirtschaft

Teuer bleibt teuer?

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 16. April 2020

In den vergangenen elf Jahren stiegen die Wohnimmobilienpreise in Bozen Zentrum um 13 Prozent an.
In den vergangenen elf Jahren stiegen die Wohnimmobilienpreise in Bozen Zentrum um 13 Prozent an. © Alexander Alber
 

Südtirols Immobilienwirtschaft erlebte zuletzt einen Boom. Nun steht alles still. Wird Wohnen also wieder günstiger? Kaum, sagen Branchenkenner.

Markus Sader hat im Moment ungewohnt viel Zeit. Beruflich wie privat. Sein Immobilienbüro in Brixen ist geschlossen und auch seinem Hobby, dem Laufen und Rennradfahren, kann er nicht nachkommen. „Wir sind defacto blockiert“, sagt er. „Per Gesetz wurde die Zeit angehalten, jedem sind die Hände gebunden und niemand weiß, wann es wieder weiter geht. Was wir im Moment erleben, ist wie ein Alptraum, total unwirklich. Dazu kommt bei vielen Menschen die Angst, die ja bekanntlich ein schlechter Ratgeber ist.“

Seit die Coronakrise begonnen hat, trudeln nur noch einzelne Online-Anfragen ein. 300 Objekte hat er derzeit im Angebot, besichtigt kann kein einziges werden. Seine Mitarbeiter sind beurlaubt. Das Vermittlungsgeschäft für Verkäufe und Vermietungen steht genauso still wie die Baustellen und das Baunebengewerbe. Und auch die Notare dürfen aktuell nur wirklich dringende Verträge unterzeichnen.

Ruth Volgger, Teilhaberin der Ruth Immobilien KG in Vahrn und Bozen, spricht ebenfalls von einem sinkenden Transaktionsvolumen: „Wir haben zwar einige Anfragen, aber ein Gebäude ohne physische Besichtigung lässt sich nicht verkaufen.“ Dabei lief das Immobiliengeschäft in Südtirol die vergangenen Jahre richtig gut. Trotz stattlicher Preise wuchs die Nachfrage stetig und kräftig. Laut der Agentur der Einnahmen, die für jede Provinz die jährlichen Transaktionen ermittelt, wurden 2018 in Südtirol 4.900 Wohnungen verkauft, also 8,8 Prozent mehr als noch 2017. Und auch wenn für 2019 noch keine offiziellen Zahlen vorliegen, lief das Jahr nach Einschätzung von Immobilienmaklern hervorragend.

Das Büro Immobilien Sader konnte rund 100 Objekte vermitteln. Selbst für Gewerbebauten, die schwieriger zu vermitteln sind, sei es zuletzt sehr gut gelaufen, sagt Markus Sader. Vor der Krise sei es gelungen, in der Brixner Industriezone ein halbes Dutzend größere Handwerks- und Industriehallen zu vermitteln. Zum Glück. Jetzt wäre es nicht mehr so leicht möglich.

Die Situation ist angespannt. Nicht nur bei Südtirols Maklern. Das Marktforschungsinstitut Nomisma aus Bologna hat für 2020 rund 613.000 Transaktionen prognostiziert. Im Zuge der Pandemie dürften es in Italien zwischen 40.000 und 110.000 Transaktionen weniger werden. Damit entgehen der Branche
9 bis 20 Milliarden Euro. Einer, der nicht mit einem drastischen Einbruch rechnet, ist Christian Weissensteiner. Seit Herbst ist er Lizenzpartner des deutschen Maklerunternehmens Von Poll Immobilien. Es handelt sich um eines der führenden Maklerhäuser Europas. Weissensteiner hat 2019 in der Drususallee in Bozen die erste Italien-Niederlassung eröffnet, parallel dazu baut er gerade den Standort Mailand auf. Die aktuelle Krise beschreibt er als „Zwangsurlaub, verordnet von einem unsichtbaren Feind“. „Trotz der Krise konnten wir in den letzten drei Wochen drei Wohnungskäufe abschließen. Positiv stimmt mich zudem, dass keiner der Interessenten aus dem deutschsprachigen Ausland, die hier in Südtirol investieren möchten, abgesprungen ist“, so der Makler. Im Moment hält er sie mit virtuellen Besichtigungen bei Laune. Bereits im November hat er in eine spezielle Software investiert. Dank dieser können Kaufinteressenten einen virtuellen Rundgang durch eine Wohnung oder ein Haus machen. Damit ist Weissensteiner rechtzeitig auf einen internationalen Trend im Vermittlungsgeschäft aufgesprungen. Eine Investition, die sich in Zeiten der aktuellen Ausgangsbeschränkungen bezahlt macht.

„Das Wohnen in den Städten und in begehrten Lagen wird immer unerschwinglicher.“ Solche Schlagzeilen trafen die vergangenen Jahre nicht nur auf Städte wie München, London, New York oder Mailand zu. Auch in Südtirol wurden gute Lagen immer teurer. Laut der jüngsten Astat-Statistik lagen 2018 in 17 Gemeinden die Preise über 4.000 Euro pro Quadratmeter. Um wie viel die Preise gestiegen sind, ermittelt die Immobilienbeobachtungsstelle OMI. Besonders teuer sind die touristischen Gemeinden. Ein Vergleich der Preise für eine Wohnung im ausgezeichneten Erhaltungszustand zwischen 2008 und 2019 zeigt, dass in St. Ulrich etwa die Preise in diesen elf Jahren um 37,5 Prozent anstiegen, von 8.000 auf 11.000 Euro pro Quadratmeter. In Kastelruth stiegen sie von 4.400 auf 6.000 Euro an. In Sexten um satte 72,2 Prozent von 3.600 auf 6.200 Euro.

Wird also die Coronakrise zu einer Preis-
entspannung führen? „Das hängt natürlich davon ab, ob die Nachfrage tatsächlich deutlich zurückgeht“, meint Markus Sader. Er beruft sich auf mehrere Studien, die zwar für Geschäfts-, Büro- und Hotelimmobilien weltweit einen Rückgang prognostizieren, nicht aber für Wohnimmobilien. Laut Nomisma dürften in Italien die Preise für Wohneigentum dieses und kommendes Jahr nur leicht, also um rund 1,1 bis
3,1 Prozent, zurückgehen.

Auch Ruth Volgger kann sich nicht vorstellen, dass es zu einem Preissturz kommt. „Erst recht nicht in guten Lagen. Schließlich gehören Immobilien als Investition weiterhin zu den sichersten und wertbeständigsten Anlagen. Selbst in den Dolomitenhochburgen wird sich auf dem freien Wohnungsmarkt preislich wenig tun“, sagt Volgger.

Auch der Mietmarkt, denkt die Vahrnerin, werde stabil bleiben. Trotz der großen Nachfrage war das Angebot an Mietwohnungen zuletzt sehr bescheiden. Nun könnte sich die Lage entspannen. „Wohnungen, die zuvor Touristen angeboten wurden, etwa über Airbnb, werden nun wieder auf den normalen Mietwohnungsmarkt kommen“, glaubt Volgger.

Neben ihrer Tätigkeit als Immobilienunternehmerin ist Ruth Volgger Vermieterin von rund 75 Einheiten, darunter Wohn-, Büro- und Geschäftsimmobilien, vom kleinen Nahversorger bis zum großen Retailer. Einigen Mietern hat sie bis Ende Mai eine Mietreduzierung von 30 Prozent gewährt. „Ich möchte vermeiden, dass gerade die kleinen Geschäftsmieter und Startups das Handtuch werfen. Sollten sie auch nach Ostern oder sogar noch im Mai geschlossen bleiben, wird manch einer für immer schließen müssen“, meint Volgger. Alles hänge nun davon ab, wie lange die Schließungen andauern. „Die Politik“, sagt sie, „hatte den Mut alles auf Null herunterzufahren. Wollen wir ein wirtschaftliches Desaster vermeiden, so muss sie nun den Mut haben, schnellstmöglich vor allem kleine Betriebe zu öffnen. Der Kunde ist mündig und wird selbst entscheiden, ob er sich mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen in die Reinigung, zum Frisör oder Automechaniker traut.“

Christian Weissensteiner ist seit 22 Jahren selbstständig als Makler tätig. In diesen Jahren hat er drei Immobilienkrisen miterlebt. „Genauso wie bei der Finanzkrise vor 12 Jahren wird auch dieses Mal das Volumen zurückgehen und Banken werden sich bei der Vergabe von Krediten zurückhalten. Doch genauso wie damals wird sich der Erstwohnungsmarkt nach einem kurzen Knick wieder erholen“, sagt er.

Der Verkauf dürfte in den kommenden sechs bis zwölf Monaten aber eher schleppend verlaufen. Schließlich bangen viele private Interessenten um ihre Jobs oder rechnen mit einem geringeren Einkommen. „Sobald die Menschen sich wieder frei bewegen können“, sagt Markus Sader, „wird auch das Interesse an Wohnobjekten wieder steigen.“

Aber erhalten private Häuslebauer überhaupt noch Zugang zu einer Finanzierung? Das Zinsniveau, so die befragten Makler, wird wohl noch für eine ganze Weile niedrig bleiben. „Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass Private nicht mehr wie aktuell 20 Prozent, sondern eher 25 bis 30 Prozent an Eigenkapital einbringen müssen“, glaubt Ruth Volgger. Zugleich werde die Krise, so denkt sie, große Immobilieninvestoren auf den Plan rufen.

Sie sei regelmäßig mit dem Geschäftsführer eines deutschen Immobilienfonds in Kontakt. Dieser Fonds suche auch jetzt, in der Krise, nach großen Immobilienoperationen, Bausubstanzen oder Bürokomplexen in Südtirol. Vor der Pandemie kamen für den Fonds auch Projekte am Gardasee in Frage – diese Pläne wurden vorerst auf Eis gelegt.

Das eigene Zuhause hat im Zuge der häuslichen Isolation einen völlig neuen Stellenwert erhalten. Verändern könnten sich damit auch die Bedürfnisse der Käufer und Mieter. Makler Weissensteiner ist überzeugt, dass der ländliche Raum, also Immobilien in höher gelegenen Gemeinden, attraktiver werden. Und es wird wohl eine größere Nachfrage nach Wohnungen mit Garten, Balkon oder Terrasse geben.

„Und Kunden werden in Zukunft beim Wohnungskauf mehr Wert auf einen Bereich für ein Homeoffice legen“, schätzt Markus Sader.

Eine der Lektionen aus der Corona-Isolation lautet also:
My home is my castle.

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