Wirtschaft

Wege aus der Krise

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 16. April 2020

Stefan Perini, 47, aus Klausen, ist Volkswirt und Direktor des Arbeitsförderungsinstituts Afi. © Alexander Alber
 

Corona hat die Wirtschaft hart getroffen. Unternehmen wanken, Arbeitsplätze sind in Gefahr. Was tun? Sechs Orientierungsmarken von Stefan Perini.

Marke 1: Ziele statt Zahlen. Wie viel wird uns die Krise kosten? 25.000 Arbeitsplätze in den Monaten März und April, wie Stefan Luther vorrechnet? 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Monat, wie es aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut heißt? Und braucht es wirklich ein Landeskrisenpaket von 2,5 ­Mil-
liarden Euro, wie von Kaufleutepräsident Philipp Moser vorgebracht?

Dieser Zahlenkrieg ist verschwendete Energie. Wir sollten vielmehr an Zielen festhalten: Dass man alles Menschenmögliche unternehmen wird, um Arbeitsplätze und Betriebe zu sichern, dass soziale Härtefälle garantiert nicht eintreten werden. Der gute Krisenmanager zeigt sich verbindlich im Ziel, flexibel in der Zahl.

Marke 2: Kühlen Kopf bewahren, Handlungsdrang zügeln. Im Notstand werden Führungsqualitäten auf die Probe gestellt und rasches Handeln erwartet. Verspüren aber alle Ebenen (Staat, Land, Gemeinden) und Akteure den Drang zum Handeln, ist das Chaos vorprogrammiert.

Also Obacht vor einem Dschungel an neuen Leistungen, Krisen- und Konjunkturpaketen, die sich zum Teil überlappen und nicht aufeinander abgestimmt sind.

Der Tipp: Schauen, was der Staat vorhat und erst danach auf Landesebene
Maßnahmen setzen, die ergänzend wirken. In der Fußballersprache ausgedrückt, ist der gute Krisen-
manager eher Libero als Mittelstürmer.

Marke 3: Garant ja, Nikolaus nein. In Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheit kommt der öffentlichen Hand die wichtige Funktion des Garanten von Volksgesundheit und Wohlstand zuteil. Diese Funktion kann nicht delegiert werden. Der gesundheitliche Notstand erfordert scharfe Eingriffe in das soziale Leben und die Stilllegung von wirtschaftlichen Aktivitäten.

Wirtschaft ist zur Hälfte immer auch Psychologie. Allein die Ankündigung, die „Bazooka“ auszupacken, um Unternehmen vor der Pleite zu schützen und Familien unter die Arme zu greifen, wirkt beruhigend. In der Krise ist Klotzen besser als Kleckern.

Aber Achtung: Auch in der Krise kommt nicht der Nikolaus. Der gute Krisenmanager verschießt nicht die gesamte Munition sofort, um bei Bedarf nachladen zu können. Und er wirft seinen Geldregen nicht dort ab, wo der Staat schon
großzügig war.

Marke 4: Gute Kommunikation ist die halbe Miete. Kommunikation ist das, was bei den Menschen ankommt. Erst wenn eine Maßnahme die Zielgruppe erreicht, kann sie wirken.

Die Menschen müssen verstehen, was Sache ist. Doch was war Überlegung, was Ankündigung, was Entscheidung? Nicht immer scheint dies klar zu sein, im schlimmsten Fall dringt vor lauter Aktionismus die endgültige Entscheidung nicht zu den Menschen durch.

Zusätzliche Erschwernis in Italien: die Zeiten der Umsetzung verbunden mit dem Risiko, dass Hilfe erst kommt, wenn die Notlage überwunden ist. Der gute Krisenmanager fördert Übersichtlichkeit und Handlungsfähigkeit der Behörden.

Marke 5: Auf den Service kommt es an. Die in den Hilfspaketen enthaltenen Maßnahmen tragen Früchte, wenn das Geld in den Taschen der Familien und Unternehmer angekommen ist. Zwischen Anspruch und Geld auf dem Konto steht die verwaltungstechnische Abwicklung.

Durch die körperliche Distanzierung ist die direkte Kundenbetreuung durch Patronate, Steuer­zentren, Freiberufler und Behörden nur eingeschränkt möglich.

Wer hat Anspruch auf was und wie viel? Was ist kumulierbar und was nicht? Und was ist mit jenen, die mit der digitalen Welt nicht vertraut sind? Der gute Krisenmanager richtet seinen Fokus auf solche Randgruppen im Wissen, dass für sie die Unterstützung eine Überlebensfrage ist.

Marke 6: Die richtigen Schlüsse ziehen. Die Pandemie markiert einen Wendepunkt in der wirtschafts- und sozialpolitischen Debatte: weg vom schwachen Staat, hin zu seiner Rückkehr in strategische Bereiche. Berufe in der Sanität und im öffentlichen Dienst werden aufgewertet, kurzzeitige Erwerbslosigkeit besser abgefedert. Auch ein soziales Grundeinkommen für jene, die es aus eigener Kraft nicht schaffen, ist wieder Thema.

Der gute Krisenmanager zieht aus den Erfahrungen Lehren für die Zukunft.

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