Wirtschaft

So ticken arabische Gäste

Wie ticken arabische Gäste? Und was erwarten sie sich von Südtirol? Antworten darauf gab der Unternehmensberater und Kenner der arabischen Märkte, Stefan Schmidt, vergangene Woche bei den vierten ff-Talks 2025. © LIVE-STYLE Agency
 

Im Sommer 2025 reisten 36 Prozent mehr arabische Gäste nach Südtirol als im Vorjahr. Was kommt da auf uns zu? Stefan Schmidt lebte in Abu Dhabi und kennt die Kulturen.

Die jüngsten Zahlen belegen: Südtirols Urlauberinnen und Urlauber werden internationaler. Weniger deutschsprachige Gäste, dafür mehr aus den USA, Asien, den Golfstaaaten, Großbritannien, Polen oder Brasilien. Und sie kommen längst nicht nur in die Dolomiten, die seit ihrer Ernennung zum Unesco-Welterbe 2009 weltweite Strahlkraft besitzen, sondern sie entdecken zunehmend die gesamte Destination Südtirol.
Wer also sind die Gäste von morgen, und wie können wir Einheimische, die Hotellerie und Gastronomie uns darauf vorbereiten? Darüber hat unser Magazin mit 500 Gästen bei den ff-Talks am vergangenen Mittwoch im Forum Brixen diskutiert.
Was die arabischen Gäste von Südtirol erwarten, darüber sprach zum Auftakt der Unternehmensberater Stefan Schmidt. Der gebürtige Bayer bringt über 25 Jahre Erfahrung im Finanz-, Transaktions- und Investmentbereich mit. Für acht Jahre lebte er mit seiner Frau, der Brixnerin Eva Ogriseg, und ihren beiden Kindern in Abu Dhabi. In der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate war er als Senior Vice President und als Head of Valuations bei einem der größten Staatsfonds weltweit tätig.
Heute lebt er mit seiner Familie in Brixen, pflegt aber nach wie vor enge Geschäftsbeziehungen und private Freundschaften in die Golfregion. Wie die arabischen Gäste ticken, verrät er im Interview.
ff: Arabische Gäste machen in Südtirol bislang nur 0,6 Prozent der Nächtigungen aus. Doch der Trend zeigt nach oben: In der Sommersaison 2025 waren es 202.400 Übernachtungen, das sind 36 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Ist Ihnen aufgefallen, dass die arabischen Gäste mehr werden?
Stefan Schmidt: Ja, die Zunahme fällt auf, vor allem im Stadtbild. In Südtirol zu Gast sind im Moment vor allem Gäste aus den Golfstaaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Kuwait oder Bahrain. Die Menschen dort erzielten in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Wohlstandsgewinn durch Öl- und Gasvorkommen. Abu Dhabi etwa fördert aktuell täglich rund 3,5 Millionen Barrel Öl. Bei einem Ölpreis von 70 Dollar und extrem niedrigen Förderkosten bleibt den VAE somit ein Überschuss von knapp 50 Milliarden Dollar pro Jahr. Dieser Reichtum, auf eine relativ kleine Bevölkerung verteilt, beeinflusst natürlich auch das Reiseverhalten.
Arabische Gäste reisen bereits seit über 20 Jahren nach Zell am See, Gstaad oder Interlaken. Warum werden sie erst jetzt auf Südtirol aufmerksam?
Ganz einfach, da Südtirol in unmittelbarer Nähe keinen großen Flughafen hat und nicht so einfach zu erreichen ist. Das erklärt auch, warum zum Beispiel so viele Araber ein Haus in Chamonix besitzen. Es gibt Direktflüge von Abu Dhabi nach Genf und in einer Stunde ist man mit dem Shuttle in Chamonix. Auf Südtirol wurden sie zuletzt vor allem über Social Media aufmerksam.
Werden in Zukunft also mehr arabische Gäste nach Südtirol kommen?
Vermutlich schon. Ein wesentlicher Faktor ist hier die demografische Entwicklung und der Social-Media-Einfluss. In den Golfstaaten wächst eine reiselustige Mittelschicht heran, die bestens ausgebildet ist, international studiert hat und westlichen Kulturen gegenüber aufgeschlossen ist. Wobei ich die Entwicklung in Indien noch beachtlicher finde.
Können sich auch vermehrt indische Gäste Fernreisen leisten?
Absolut. 2013 lebten in Indien rund 1,25 Milliarden Menschen. 20 Prozent davon zählten zur Mittelschicht und konnten sich Auslandsreisen leisten. Heute, 2025, ist die Bevölkerung auf 1,46 Milliarden angestiegen. Die Mittelschicht macht rund 37 Prozent aus. Das bedeutet: Es gibt mittlerweile rund 550 Millionen Inder, die sich internationale Reisen leisten können – also 300 Millionen mehr als noch 2013. Bildlich gesprochen heißt das: Fünfmal so viele Menschen, wie in Italien leben, kommen jetzt neu auf dem globalen Reisemarkt dazu. Das wird auch Südtirol spüren.
Die meisten arabischen Gäste kommen im Hochsommer nach Südtirol, 60.000 Übernachtungen waren es allein im Juli. Entfliehen sie der Hitze?
Ja, man muss wissen, im Juli herrschen in der Golfregion oft bis zu 50 Grad Celsius. Viele Familien entfliehen der Hitze. Neu ist jedoch: Immer mehr Emiratis kommen auch im Winter nach Europa. Und das wird weiter zunehmen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es dieses Jahr erstmals ab 2. Dezember fünf Wochen Winterferien. Das macht Winterreisen natürlich attraktiver. Vor allem auch, da sie von den Christkindlmärkten so fasziniert sind.
Wie sieht eine typische Südtirol-Reise aus?
Viele verbinden Südtirol mit München, Venedig oder Mailand – vor allem da ihnen Shopping extrem wichtig ist. In Südtirol bleiben sie meist drei bis vier Tage und klappern in Kleinbussen die Hotspots ab: Pragser Wildsee, Gadertal, Villnöss – ein schnelles Foto und wieder weiter. Kühlere Temperaturen, Shopping, Food – das ist ihnen wichtig. Und seit Neuestem auch die Naturerlebnisse.
Reisen arabische Gäste nach wie vor mit ihrer Großfamilie an?
Familien älterer Generationen sehr wohl. Anders sieht es bei den jüngeren Gästen aus, dort reisen Paare oder Kleinfamilien auch allein, wobei viele ihre Nannies mitbringen. Interessant: Es gibt mittlerweile gar einige emiratische Frauen, die mit ihren Freundinnen in den Urlaub fahren. Vor ein paar Jahren wäre das noch völlig undenkbar gewesen.
Bereits vor 20 Jahren kamen arabische Gäste für medizinische Behandlungen nach München und blieben für mehrere Wochen. Ist das nach wie vor Thema?
Nicht mehr in diesem Ausmaß. ­­Abu Dhabi etwa hat stark in die Vorsorge investiert, auch vor Ort sind nun sehr gute Spezialbehandlungen möglich.
Welche Erwartungen haben arabische Gäste an den Service?
Ob jung oder alt, es gilt: Service, Service, Service. Bequemlichkeit und hoher Komfort sind zentral. Dazu gehören Business Class in der Luft, Porter-Service am Flughafen, Shuttle-Services an Land. Und generell: eine gut organisierte Reise. Erst kürzlich hat man mir erzählt, dass eine arabische Familie in ihrem Hotel in Innsbruck angekommen und sofort wieder abgereist ist, weil niemand Zeit hatte, ihr Gepäck aus dem Auto zu laden. Das ist für sie ein No-Go. Sie erwarten, dass alles für sie erledigt wird und Hotelpersonal permanent verfügbar ist.
Welche kulinarischen Besonderheiten sollten Hoteliers kennen – etwa in Bezug auf Halal-Angebote?
Was für arabische Gäste absolut nicht geht, ist Schweinefleisch. Daher würde ich Hoteliers einfach raten, die Speisen am Buffet oder in der Speisekarte entsprechend zu kennzeichnen, wie man es ja auch für Allergene macht. Auch auf alkoholische Zutaten – etwa bei gewissen Desserts – würde ich hinweisen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Wie experimentierfreudig sind arabische Gäste? Sind sie offen für Knödel?
Die jüngere Generation ist durchaus offen für internationale Küche. Auch Knödel – solange es keine Speckknödel sind – dürften also auf Anklang stoßen. Indische Gäste dagegen bevorzugen ihre eigene Küche und vegetarische Gerichte.
In Zell am See prägen mittlerweile arabische Lokale und Supermärkte das Stadtbild. Brauchen auch wir arabischsprachige Speisekarten?
Nein, die junge Generation spricht sehr gutes Englisch und den Rest erledigt ohnehin die KI. Viel wichtiger ist ihnen die Aufmerksamkeit des Personals.
Im Vorjahr kursierte ein Video in den sozialen Netzwerken, das nach der Abreise arabischer Gäste ein völlig verdrecktes Hotelzimmer in Südtirol zeigte. Ein Einzelfall?
Ich kenne das Vorurteil, würde es aber auf keinen Fall pauschalisieren. Schwarze Schafe gibt es in jeder Kultur. Fakt ist: Vor allem neue Gäste haben noch wenig Erfahrung mit westlichen Gepflogenheiten – etwa was das Kochen im Zimmer oder die Müllentsorgung betrifft. Hier kann ich nur empfehlen: eine klare Kommunikation, etwa mit Hinweisschildern im Hotel. Solche Schilder sind sie aus der Heimat gewohnt, sie vermitteln Regeln elegant, ohne dass sich die Gäste diskriminiert fühlen.
Viele Einheimische sind irritiert von der Gesichtsbedeckung arabischer Gäste.
Schwieriges Thema, das auch vor Ort recht kontrovers diskutiert wird. Die arabische Kultur hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant gewandelt – in Saudi Arabien tatsächlich erst in den letzten paar Jahren. Die progressiv eingestellte Gesellschaftsschicht verzichtet bereits seit Längerem auf eine Gesichtsbedeckung, während andere noch an ihrem konservativen Auftreten festhalten. Gerade die jüngere Generation tendiert aber auf Reisen dazu, sich westlich zu kleiden, und der Wandel wird zukünftig weitere Gesellschaftsschichten erreichen.
Welche Fehler passieren europäischen Gastgebern am häufigsten im Umgang mit arabischen Gästen?
Man sollte sich bewusst sein, dass es als respektlos wahrgenommen wird, wenn ein Mann einer Frau ungefragt die Hand gibt oder zu langen Blickkontakt hält. Mit einem freundlichen Kopfnicken, Hände auf die Brust legen und einem „Welcome“ kann man die Situation elegant umschiffen. Wobei man der Frau natürlich die Hand schütteln darf, wenn sie sie von sich aus ausstreckt.
Welche fünf weiteren Tipps würden Sie Südtiroler Hoteliers mitgeben?
Punkt eins: Arabische Gäste schätzen den Komfort einer Shatafa, also einer Toilettendusche. Punkt zwei: Sie sind es gewohnt, dass in Hotels und Autos immer Taschentücher in Boxen und Wasserflaschen verfügbar sind. Punkt drei: Familien bewegen sich oft langsamer, insbesondere mit mehreren Kindern. Da ist viel Geduld gefragt. Punkt vier: Sie sind es gewohnt, dass jemand die Tür aufhält, ihre Koffer trägt, ihr Auto parkt oder ihren Müll wegräumt. Entsprechend sinnvoll kann es sein, das Personal flexibel aufzustocken. Und Punkt fünf: Traut euch ins Gespräch zu kommen, arabische Gäste haben einen überraschend guten Sinn für Humor.

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Wolfgang Töchterle
Direktor Marketing der IDM Südtirol

„Der nächste große Hot­spot wird Riva am Gardasee: direkt am Wasser gelegen, mit Blick auf die Bergspitzen – genau das suchen viele arabische Gäste. Südtirol bewerben wir nicht aktiv im arabischen Markt.“

Der Olanger leitet seit sechs Jahren die Abteilung Marketing sowie Destinationsagenden der Wirtschaftsentwicklungsagentur IDM. An ihm liegt es, die Wettbewerbsfähigkeit Südtirols in den Zielmärkten zu stärken. Zuvor war er Geschäftsführer des Skiverbunds „3 Zinnen Dolomites“ und verantwortete bei der ehemaligen SMG die digitale Markenführung und strategische Positionierung der Region und baute unter anderem die Bikehotels Südtirol auf.

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Claudia Rier
Tourismus-Botschafterin

„Arabische und asiatische Gäste wollen vor allem die Hotspots sehen. Amerikanische Gäste dagegen kann man über Reiseveranstalter besser steuern. Sie interessieren sich sehr für unsere Kultur.“

Die Kastelrutherin ist seit 2022 als Beraterin tätig und unterstützt Hotels und Destinationen dabei, sich international – vor allem auf dem amerikanischen Markt – zu positionieren. Zuvor verantwortete Claudia Rier für sechs Jahre bei der IDM den Bereich International Sales und war für acht Jahre bei der früheren SMG unter anderem in der internationalen Pressearbeit tätig. Rier ist heute außerdem Gastgeberin der Felder Alpin Lodge in Villanders.

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Erich Falkensteiner
Aufsichtsratsvorsitzender der Falkensteiner Michaeler Tourism Group

„Ich habe keine Sorge, dass Südtirols Hotels von arabischen Investoren übernommen werden. Dafür sind unsere Hotels
zu klein, interessant sind erst Hotels mit über 300 Zimmern.“

Mit nur 19 Jahren übernahm Erich Falkensteiner den elterlichen Hotelbetrieb im Pustertal. Daraus formte er mit seinem Bruder Andreas und mit seinem Geschäftspartner Otmar Michaeler eine internationale Hotelgruppe mit über 30 Hotels in sieben Ländern und mehr als 2.000 Mitarbeitenden. Damit ist die Falkensteiner Michaeler Tourism Group (FMTG) mit Sitz in Wien eines der führenden touristischen Entwicklungsunternehmen Mitteleuropas.

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