Außensicht

Südtirols einziger Gott

Aus ff 07 vom Donnerstag, den 16. Februar 2023

Reinhold Messner: Echte Götter wissen: Die Berge dieser Welt sind immer nur ein temporärer Wohnsitz. Zeus musste vom Olymp herabsteigen, um Griechenlands Mägde zu schwängern. Jahwe schickte seine Gebote per Moses-Express ins Tal. Und Jesu Bergpredigt heißt so, weil sie eine biblische Ausnahme war: Gleichnisse gab’s in der Regel ganz unten, wo all die Sünder hausen.

Auch Reinhold Messner, Südtirols erster und einziger Gott, ist endlich unten angekommen. In den vergangenen Wochen konnte man seiner Menschwerdung in atemberaubender Geschwindigkeit zusehen. Messner, der Eroberer, klatschte sich durch Spielshows mit Kai Pflaume. Messner, die Turteltaube, gab peinlich berührten Journalisten Einblick in sein Liebesleben. (Kurzfassung: Er hat noch Sex, macht aber nie die Wäsche). Vor wenigen Tagen erschien eine ZDF-Doku über ihn, sie heißt: „Mensch Messner!“. So also sprach der öffentlich-rechtliche Rundfunk: Der Berg ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Es ist, als hätte Messner sich im Alter vorgenommen, zum Anti-Yeti zu werden: Niemand auf der Welt soll je behaupten können, ihn nicht gesehen, nicht gehört zu haben. Auch dafür gibt es alttestamentarische Vorbilder. Als die Fluten und Zikaden irgendwann nicht mehr wirkten, machte der bärtige Vater mit lauter Stimme auf sich aufmerksam: „Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott!“

Reinhold Messner geht es ähnlich: Klimaschutz fand er toll – solange er höchstselbst mit wortgewaltigen Interviews (und Vielfliegerstatus) dagegen ankämpfte. Jetzt, wo sich die Gläubigen neuen Göttern zuwenden, an Straßen kleben statt an seinen Lippen, ist Messner grün vor Neid. „Es geht zu weit!“, sprach er kürzlich im ORF, der Protest der jungen Klimaschützer hätte mit „vernünftigen Diskussionen“ nichts zu tun.

Nun, Mensch Messner muss es wissen: Wer ohne Sinn und Sauerstoff auf Gipfel rennt, liebt die Vernunft mindestens so sehr wie sich selbst.

von Anton Rainer | Redakteur im Ressort Wirtschaft beim Spiegel in Hamburg

Leserkommentare

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.