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Außensicht
Ischgl und Corona: Chalets und Schlachtfelder
Aus ff 13 vom Donnerstag, den 30. März 2023
Journalisten, Schwiegereltern und Versicherungsvertreter haben eines gemeinsam: Wenn sie unangemeldet an der Haustür klingeln, gibt es meistens Stress. Ende Januar erlebte ein Redakteur der Tiroler Kronen-Zeitung, was das bedeutet. Der Mann wollte die Stimmung in Ischgl abfragen, drei Jahre nach der Après-Ski-Apokalypse. Stattdessen erhielt er einen, nun ja, landesüblichen Empfang.
„Applaus! Ihr Medien habt das echt super gemacht, Ischgl zu vernichten!“, brüllte ihn ein Hotelier an und verwies ihn des Hauses. In gleich fünf anderen Gasthöfen und drei Sportgeschäften war der Journalist ebenfalls unerwünscht: Nicht mal im „Kitzloch“ hatte der arme Mann Erfolg – und dort bewirten sie sogar hustende Deutsche.
Mag sein, dass der Redakteur die Gemütslage vor Ort falsch eingeschätzt hat. Vielleicht war er aber auch nur zu früh auf der Party. Schon zwei Monate später haben sich die Touristiker nämlich wieder gefangen: Die Marke Ischgl habe von Corona nicht nur keinen Schaden genommen, sagt der Obmann des Tourismusverbands jetzt, sondern sogar davon profitiert! „Im Nachhinein ist es egal, dass die Berichterstattung negativ war“, denn der Werbewert aller Ischgl-Nennungen betrage geschätzt „zwei Milliarden Euro“. Und alle, „die uns bisher nicht gekannt haben, die kennen uns jetzt!“ Ein Slogan, wie gemacht für den Tourismusverband Tschernobyl.
Eines hat man in Ischgl auf jeden Fall verstanden. Tourismus ist Tragödie plus Zeit – und aus jedem Schlachtfeld wird irgendwann ein Chaletdorf. Man braucht dafür nur etwas Geduld und die passenden Hiobsbotschaften. Ich bin sicher, in ein paar Jahren wird uns Arnold Schuler erklären, dass er die Apfel-Spritzhefte höchstselbst geleakt hat, um für Südtirol zu werben. Die IDM wird ihre Testimonial-Verträge mit Nachwuchs-Rapper Jürgen Wirth-Anderlan offenlegen. Und die Werbeagentur Brandnamic wird in einer Pressemitteilung stolz zugeben, was ohnehin jeder ahnte: Ingemar Gatterer war nie ein Unternehmer – sondern die viralste Influencer-Kampagne, die Südtirol je gesehen hat.
von Anton Rainer | Redakteur im Ressort Wirtschaft beim Spiegel in Hamburg
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